Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

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yaiza

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In diesem Jahr hatte ich es leider nur zu einem Musikfest-Konzert geschafft. Die Karten für das interessante Bauhaus/Broadway-Programm im Kammermusiksaal der Philharmonie habe ich zurückgegeben, da ich kurzfristig familiär verhindert war. Die Tickets waren kostenfrei und ich schrieb an das Ticketbüro, dass sie die Sitze freigeben können, falls sich noch Interessenten melden. Ich bekam eine wirklich nette Antwort mit der Info, dass die Plätze wieder im System buchbar seien. Hat mich gefreut, dass dies so unkompliziert ging.

Fr, 19.09.2025
Musikfest Berlin
Konzerthaus Berlin
Konzerthausorchester
Ltg. Michael Sanderling

Luciano Berio (1925 – 2003): „Eindrücke“ für Orchester
Gustav Mahler (1860 – 1911): Sinfonie Nr. 6 a-Moll
Allegro energico, ma non troppo. Heftig, aber markig
Andante moderato
Scherzo. Wuchtig
Finale. Allegro moderato

Auf die 6. Sinfonie von Mahler, die ich zum ersten Mal live hörte, war ich gespannt. Zu Hause ging ich der Sinfonie zuletzt meist aus dem Weg, da ich Teile davon, recht aggressiv wahrnahm –> siehe „heftig“ und „wuchtig“ in zwei Satzbezeichnungen. Das KHO und Michael Sanderling stellten der M6 ein Orchesterstück von Luciano Berio voran. „Eindrücke“ für Orchester (1973/74; UA 18.06.74 in Zürich, Tonhalle-Orch./Erich Leinsdorf) kannte ich bisher nicht und hatte ich mir vorher auch nicht angehört. Es stellte sich als tolle Wahl heraus. Es sind Marsch-Rhythmen zu hören, die sich aber nicht nach vorn bewegen, sondern eher um sich kreisen. Im digitalen Programmheft ist u.a. zu lesen: „Der Marsch freilich ist kein zielgerichtet sich bewegender, sondern er stolpert und torkelt wie benommen und kommt eigentlich nicht vom Fleck“— Berio wird zitiert mit: „Als Kommentar zu zwei früheren Orchesterwerken, ‚Bewegung‘ (1971) und ‚Still‘ (1972), konzipiert, entfaltet ‚Eindrücke‘ wie in einem Traum die ferne Erinnerung an einen Marsch und eine Melodie. Es ist ein Ostinato aus zwei fragmentierten Diskursen, die einander gleichgültig gegenüberstehen und fast unbeweglich sind, sich sehr langsam verwandeln, sich verfolgen und kreuzen, ohne sich jemals zu begegnen…

Schon nach kurzer Zeit war klar, dass sie attacca in die Mahler 6 übergehen werden und es hat prima geklappt (ohne Störungen im Publikum — Späterer Einlass tatsächlich erst nach dem 1. Satz der M6). Auf jeden Fall eine ganz schöne Lösung, nicht gleich mit dem stampfenden Marschrhythmus der M6 zu beginnen. Daran werde ich mich immer erinnern.
Im Programmheft sah ich schon vorher, dass die getauschte Reihenfolge von Andante und Scherzo angekündigt war.
… und vielleicht lasse ich mal zu Hause Aufnahmen in dieser Reihenfolge durchlaufen. Bei mir hat sich jetzt nach dem Erlebnis im Konzertsaal Neugier eingestellt und das hatte ich mir bei der Auswahl des Konzerts auch erhofft.

*****

Di, 30.09.2025
Pierre Boulez Saal
HK Gruber
, Gesang und Rezitation
Kirill Gerstein, Klavier

Weill: Berlin im Licht
Eisler: Ballade von der Krüppelgarde op. 18 Nr. 1, Rückkehr zur Natur
Weill: Bilbao-Song (aus Happy End), Zu Potsdam unter den Eichen (aus Das Berliner Requiem)
Eisler: Zeitungsausschnitte op. 11
Weill: Song von Mandelay (aus Happy End)
Eisler: Ballade von den Säckeschmeißern op. 22 Nr. 4
Weill: Lied von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens (aus Die Dreigroschenoper)
Eisler: Aberglauben-Couplet (aus der Bühnenmusik zu Johann Nestroys Höllenangst)
Des is a politischer Herr (aus der Bühnenmusik zu Johann Nestroys Eulenspiegel)
Schwertsik: Da Uhu schaud me so draurech au (Sieben Wienerlieder op. 20)
– Pause –
Weill: Song of the Rhineland
Schönberg: Ode an Napoleon Buonaparte für Streichquartett, Klavier und Sprecher op. 41
mit Kristina Georgieva und Eesa Khoury (Violinen,beide von Barenboim-Said Akademie); Jimin Jang (Viola, HfM Hanns Eisler); Alexander Kovalev (Violoncello, Solo-Cellist Staatskapelle Berlin)
Zugabe — Eisler: Rosen auf den Weg gestreut

Dieser Liederabend mit HK Gruber und Kirill Gerstein war ebenfalls ein tolles Erlebnis und unglaublich interessant. Kirill Gerstein begrüßte das Publikum im Saal und kündigte schon an, dass HK Gruber einiges zu den Liedern, aber auch Anekdoten zu den Komponisten erzählen wird. Er sprach ihn die ganze Zeit mit seinem Spitznamen „Nali“ (wohl noch aus der Zeit bei den Wiener Sängerknaben) an. Dieses „Begleiten“ von Kurt Weill und Hanns Eisler in ausgewählten Liedern ab ihrer Jugend durch die Zwischenkriegszeit, dann ins spätere Exil, beide mit Verbindungen zu Brecht und auf Eisler bezogen zurück nach Europa – erst nach Österreich und dann in die DDR- war wirklich sehr gut aufbereitet und interessant zu hören. Ebenfalls sehr schön fand ich auch, dass HK Gruber bei entsprechenden Liedern auf Berlin und Wien (Kurt Schwertsik wurde dann auch noch untergebracht) einging. Der Kauf des Programmheftes ist im Boulez Saal empfehlenswert. Hier stehen für die spätere Lektüre so viele Hintergründe und auch die Texte div. Dichter drin. (…eine abgespeckte Form kann man bereits vorher lesen: digitales Programmheft).

Als großes Finale stand die Ode an Napoleon Buonaparte für Streichquartett, Klavier und Sprecher von Arnold Schönberg auf dem Programm. Hier wurden die beiden von einem aus drei Studenten und einem Solocellisten der Staatskapelle Berlin zusammengestellten Streichquartett begleitet. HK Gruber führte kurz ein, dass Kirill Gerstein, den Wunsch hatte, dies auf Englisch aufzuführen. Kirill Gerstein erklärte, dass er das gern auf Englisch mit Akzent hören wollte und sich Schönberg dabei vorstellte. (Im letzten Jahr hörte ich dieses Werk mit Text auf Deutsch in einem Ives & Schönberg- Programm mit Stefan Litwin am Klavier beim Musikfest Berlin).
Als programmierte Zugabe nahmen die beiden Künstler des Abend, wie auch schon einige Male an diesem Abend, Bezug zu unserer Zeit. „Rosen auf den Weg gestreut“ (Text von Kurt Tucholsky, Musik von Hanns Eisler) geht so los:
„Ihr müßt sie lieb und nett behandeln,
erschreckt sie nicht – sie sind so zart!
Ihr müßt mit Palmen sie umwandeln,
getreulich ihrer Eigenart!
Pfeift euerm Hunde, wenn er kläfft –:
Küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft!“

Da der wirklich lange Applaus nicht abebbte, gaben sie noch eine weitere Zugabe. HK Gruber holte nochmal zum jungen Kurt Weill aus und erzählte, dass dieser u.a. auch damalige „Werbespots“ für z.B. Seife komponierte. Sie führten dann einen auf… Klavier mit langem salonmäßigen Intro und dann markanter Rezitation. So entließen sie nach dem sehr ernsten Schluss des Programms ihr Publikum mit einem Lächeln.

*****

Mi, 15.10.2025
Konzerthaus Berlin
Akademie für Alte Musik
Georg Kallweit
, Konzertmeister
Elfa Rún Kristinsdóttir, Konzertmeisterin
Carolin Widmann, Violine

Michael Haydn: Sinfonie Nr.23 D-Dur P 43
Joseph Haydn: Konzert für Violine und Orchester G-Dur Hob VIIa:4
– Pause –
Wolfgang Amadeus Mozart: „Eine kleine Nachtmusik“ G-Dur KV 525
Wolfgang Amadeus Mozart: Konzert für Violine und Orchester B-Dur KV 207

Gestern ging’s dann wieder ins Konzerthaus zu einem Konzert der Akademie für Alte Musik. Ich war jahrelang nicht mehr bei einem Akamus-Konzert und freute mich daher sehr darauf. Zuletzt hörte ich sie zusammen mit Isabelle Faust im März 2020 kurz vor dem ersten Lockdown im Kammermusiksaal der Philharmonie. Dieser und der Kleine Saal im Konzerthaus sind von der Akustik her 1A Veranstaltungsorte. Im Großen Saal des Konzerthauses kommt das Ensemble mit dem Klang immer nicht so gut durch. Daher versuche ich dann eine Karte in der Nähe des Podiums zu bekommen, was glücklicherweise auch klappte.
Los ging es mit einer Sinfonie von Michael Haydn, von dem ich bisher nur was nebenbei im Radio hörte. Beschäftigt hatte ich mich mit ihm noch nicht, aber die ausgewählte Sinfonie war ein schöner Einstieg. Also da war allerhand zu hören und das Fugato zum Schluss einfach klasse.
Für das (wahrscheinlich 4.) VK von Joseph Haydn kam Carolin Widmann dazu. Das gefiel mir sehr und ich muss unbedingt mal Radioaufnahmen von Haydn VK durchgehen; vielleicht werde ich da ja sogar fündig – eine CD habe ich da bisher nicht.
Nach der Pause ging es mit der „ganz kleinen Nachtmusik“ (wie die Serenade wohl von Mozarts Schwester genannt wurde). Bei den zweiten Violinen war ein zusätzliches Pult für Carolin Widmann aufgestellt und alle MusikerInnen hatten durchweg ein Lächeln auf den Lippen. Der 1. und 4. Satz sind in den „bunten Sendungen im Radio“ garantiert überspielt, aber ich höre diese gar nicht und konnte dies sehr gut genießen. Die ein oder andere Aufnahme hole ich mir demnächst bestimmt mal hervor.
Zum Schluss dann das 1. VK von Mozart in B-Dur KV 207, wieder mit Carolin Widmann als Solistin. Sie hatte ich bisher fast nur mit zeitgenössischem Repertoire wahrgenommen, aber mit Haydn und Mozart fand ich ihr Spiel auch beeindruckend.
Das war insgesamt sein sehr schönes Programm. Die Konzertmeister Georg Kallweit und Elfa Rún Kristinsdóttir wechselten sich ab. Elfa Rún Kristinsdóttir übernahm die beiden VK und Carolin Widmann bedankte sich bei ihr mit einer sehr schnellen Umarmung noch vor dem langen Schlussapplaus.
Als Zugabe spielte das Ensemble nochmal das Fugato aus der Sinfonie #23 D-Dur von Michael Haydn und Carolin Widmann spielte bei der Zugabe wieder am zusätzlichen Pult der zweiten Geigen mit.

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