Antwort auf: 100 beste Jazzalben des Rolling Stone, kommentiert

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friedrich

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vorgarten

friedrich
Das rumpelige Titelstück und das karikaturhafte Caravan auf der einen Seite, die zarten und zerbrechlichen Stücke Fleurette Africaine, Warm Valley oder Solitude auf der anderen Seite.
Sehr lebhaft, spontan, offensichtlich viel improvisiert, voller Gegensätze, mit Ecken und Kanten. Gut, dass man das so stehen gelassen und nichts mehr abgeschliffen und poliert hat.

letzteres ist, glaube ich, der entscheidende punkt. wobei ich auch nicht ganz verstehe, warum die tontechniker da mit einem klaviertrio so viele probleme hatten. vielleicht waren auch sie überrumpelt, ellington hatten sie bestimmt viel leiser eingepegelt
interessant, dass „caravan“ hier karikaturhaft rüberkommt. das kann man so hören. und das ist ja auch ganz schön freigeistig, da den respekt abzulegen und (aus ellingtons perspektive) das zuzulassen.

Ich meine das gar nicht in erster Linie in Bezug auf die Aufnahmetechnik. Man hätte ja auch eine ganz konventionelle Piano-Trioaufnahme mit Ellington, begleitet von Mingus und Roach, machen können. Ein paar Ellington-Standards und ein zwei neue Kompositionen. Ein paar mal geprobt, flüssig und gefällig eingespielt. Hätte sich sicher gut verkauft. Stattdessen rumpeln die 3 drauflos, dass es kracht!

Der Produzent hätte nach der Aufnahme des Titelstücks ja mal zu den dreien gehen können: „Äh, okay, das war ja schon sehr schön. Aber vielleicht kriegen wir das noch etwas eleganter hin. Mingus, ganz toll, wie du da in die Saiten greifst. Das macht dir wirklich keiner nach. Aber manchmal ist weniger auch mehr, verstehst Du? Dann muss der Duke auch nicht so sehr gegen dich anspielen.“ Aber dann hätte der Produzent wahrscheinlich von Mingus was auf die Mütze gekriegt. ;-)

Nein, man hat das alles so stehen lassen. Und auch die zarten Stücke haben etwas rohes und naturbelassenes. Ist auch gut so!

Caravan hat eigentlich im Original schon was karikaturhaftes. Exotica. Aber macht Spaß!

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“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.”                                                                                                                                          (From the movie Sinners by Ryan Coogler)