Antwort auf: 100 beste Jazzalben des Rolling Stone, kommentiert

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vorgarten

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THE INDIVIDUALISM OF GIL EVANS
evans, coles, glow, royal, mucci, cleveland, studd, rehak, alonge, watkins, cohen, corado, buffington, northern, barber, shorter, richardson, dolphy, lacy, tricarico, block, bushell, ross, maxwell, burrell, galbraith, peacock, chambers, hinton, davis, tucker, jones, johnson, taylor, van gelder, simpson (9/1963, 6.4.1964 & 9.7.1964)

der „song vom nein und ja“, auch als „barbara-song“ bekannt, kommt hier nicht als kokette selbstermächtigung daher, sondern als tieftraurige weise, von harfe und altflöte in watte gepackt, mit ahnungsvollen akkorden, die sich langsam lösen. und gil evans spielt nach der melodie blues-akkorde, verschiebt das lied zum mood. unfassbar detailreich breitet sich das von da aus, mit einem leichten marschrythmus im rubato (elvin jones) und einem fantastischen tenorsaxsolo von wayne shorter, das aus dem nebel auftaucht und wieder darin verschwindet. mit dem „las vegas tango“ kommt dann was ins rollen und jäh ins schmettern, mit spitzen, ungewöhnlich miteinander reagierenden bläsersätzen und einem gitarrensolo von kenny burrell. aus dem anschließenden flöten-song entwickelt sich schnell evans/davis‘ gemeinschaftsarbeit „hotel me“, die ein einfacher blues zu sein vorgibt, mit einem riffenden gespann aus gitarre und flöte, während holz und blech dahinter im tremolo knarzen. elvin jones gibt jeder dieser bewegungen eine laszive schwere, raschelt zwischen den stimmungsmalereien und stampft die entschiedeneren rythmen. am ende spielt johnny coles wie ein miles-davis-ersatz ein paar figuren ins dunkle.

ein arrangeursalbum mit eigenmaterial, composer’s und arranger’s piano, reduzierten makro- und ständig überraschenden mikrostrukturen. und das formbewusstsein macht auch vor dem albumformat als vorgabe nicht schlapp, auch wenn die musik vielleicht kein programm und kein übergeordnetes konzept hat – man weiß danach, wann man seite 1 oder seite 2 auflegt oder sich zeit für beides nimmt (im original nur je 16 minuten). produzent creed taylor wird sehr genau hingehört haben – für sein späteres eigenes label ist das hier die blaupause, und die trademark-altflötentöne in den sebesky-arrangements hat jemand vor ihm erfunden. „i write popular music.“ (gil evans)

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