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Meine Musikroutinen sehen momentan so aus: Tagsüber höre ich so gut wie keine Musik, aber abends, wenn ich im Bett liege, schnalle ich mir den Bluetooth-Kopfhörer um und höre bei bandcamp rein – aber nur in die Kassettenrubrik „new arrivals“. Falls mich etwas anspricht, überlege ich mir, ob es mich auch noch ein zweites oder drittes Mal ansprechen könnte. Falls das der Fall ist und das Tape zudem innerhalb der E.U. verschickt wird, kaufe ich es. Nicht bevor ich nicht noch eine Nacht drüber geschlafen habe.
Nicht viele Kassetten passieren diesen speziellen Filtermechanismus. Aktuell ist es einer Doppel-MC „Simple Music Experience Volume 4“ auf dem französisch-belgischen Label Simple Music Experience gelungen. Eine Label-Compilation, auf der auch ein mir bekanntes Projekt vertreten ist, nämlich die Simplists, die ich wiederum von einem Album auf dem grenobler Label Notte Brigante kenne. Von Notte Brigante haben es in den letzten anderthalb Jahren drei Tapes durch meinen Kassettenfilter geschafft, was irrsinnig selten und darum unfassbar erwähnenswert ist.
Die Musik auf Notte Brigante und auf Simple Music Experience ähnelt sich. An End-1970er bis Früh-1980er orientierte Mensch-und Maschinen-Musik. Billig-Synths, Loops, Stimmen (runter-/hochgepitcht), Radiosamples, archaischer HipHop, Dub, Noise-Schlieren, hochkompresste Filtergitarren, durch die hindurch Pop und Humor aufs Unterhaltsamste scheinen. Ich habe den starken Verdacht, dass hinter den meisten Tracks auf Various Artists Volume 4 die Simplists selbst stecken, aber vielleicht gibt es im französischsprachigen Raum tatsächlich unzählige Musikprojekte, die klingen wie die Nachkommen abgeschotteter NewWave-Kolonien und sich Gino Rotten, Näcken Du Naon, Ulne Abulat, Naomi Klaus, Helen Infam oder Hochiwah nennen.
Tonverschwirrungen zwischen Der Plan, Ralph Records, Filmprojektabbruch-Scores, theremin-ige Leiert-das-Band-oder-ist-es-der-Synth-Musik und dem, was mal Tommy Rinnstein vor ein paar Jahrzehnten an Kassettenmusik auf „NDR Musik nach der Schule“ zu spielen pflegte. Und so weit weg von dem letztjährigen hypnagogischen Pop-Darling Cindy Lee und „Diamond Jubilee“ ist das auch nicht. Habe dieses Jahr bisher noch nichts ähnlich Unterhaltsames gehört. Aber wie gesagt, so viel höre ich momentan ja nicht.
SIMPLE MUSIC EXPERIENCE VOL.4 (DoMC, 2025, Simple Music Experience)