Antwort auf: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

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Varda, Tag #9 gestern – grossartig!


Sans toit ni loi (1985) – der Film ist wirklich ein Meisterwerk. Die DVD ergänzt den Film mit einer 40minütigen Doku von Erinnerungen und Gesprächen mit Varda, Bonnaire, Marthe Jarnias (siehe unten), diversen der Laiendarsteller usw. Dazu ein kurzes Gespräch über die die Musik der polnischen Filmkomponistin (Joanna Bruzdowicz), deren Musik stets zu hören ist, wenn Bonnaire geht (und nicht gesprochen wird) – die ganzen Travellings, immer von rechts nach links übrigens, gibt es da dann noch am Stück, mit der Musik, die auf einem Satz aus einem Streichquartett von Bruzdowicz stammt, zu dem sie für den Film Variationen schrieb (ich kenne ihre Musik bisher gar nicht, bin auch ihrem Namen noch nicht begegnet … Varda erzählt, wie sie zu einem ihrer Plattenläden ging und sich dort Stücke von Komponistinnen vorspielen liess, weil sie für den Film unbedingt Musik von einer Frau haben wollte, und ihr bei Bruzdowicz schnell klar geworden sei: die ist es).


Histoire de la vieille dame (1985) ist dann eine kurze Doku über Marthe Jarnias, die 84jährige Laiendarstellerin, die ein Helfer von Varda auf der Strasse in Avignon für „7 p., cuis., s. de b., … à saisir“ aufgetrieben hatte: die Bedingung war „über 80 und bereit, nackt aufzutreten“ (es gibt in der Installation, in der der Film entstand, ein mit Federn ausgekleidetes Bad, und die Figur von Jarnias duscht dort jeden Morgen in Federn – von dem Shoot stammen auch die zwei Bilder links). Varda bot ihr auch eine Rolle in „Sans toit ni loi“ an, diese akzeptierte bedingungslos, meinte aber, sie würde lieber nicht nochmal nackt auftreten. In „Sans toit ni loi“ spielte sie eine reiche Alte, deren Neffe, angetrieben von seiner Ehefrau, auf ihre Wohnung (mit sieben Zimmern natürlich) spekuliert (und einer anderen DVD-Beigabe, einem Auszug aus einer Radiosendung mit Nathalie Sarraute, ist zu entnehmen, dass diese Szene einem Buch von Sarraute entliehen ist, der Varda „Sans toit ni loi“ auch widmete). Jarnias selbst war ihr langes Berufsleben lang hingegen die Dienerin, das Mädchen für alles an unterschiedlichsten Orten … und hatte offensichtlich grossen Spass daran, den Spiess im Film umzudrehen und ihre „bonne“ – Yolande Moreau in derselben Rolle wie schon in „7 p., cuis., s. de b., … à saisir“ – herumzudirigieren. Und dann trinkt sie mit Bonnaires Mona Cognac und die beiden verschwestern sich im Rausch, alt und jung, reich und arm … Varda kommentiert die Szene, dass in dem Moment im Film die echte Marthe Jarnias zum Vorschein komme. Wenn die Bilder von Schimmel zerfressen sind, liegt das daran, dass die Rolle mit dem Film irgendwo in einem Keller vor sich hinschimmelte … und dann so, in dem vorgefundenen Zustand, irgendwie digitalisiert worden ist. Gedreht also 1985, aber veröffentlicht wohl erst viel später (auf der ersten grossen DVD-Box 2014 vielleicht? Oder damals vielleicht auch mal gezeigt, keine Ahnung …)


T’as de beaux escaliers, tu sais (1986) – in der Halbzeitpause, als für Italien noch Hoffnung bestand, dann noch eine kurze Doku, die Varda für die Cinémathèque (noch am alten Standort, in der neue gibt es nur Beton-Innentreppen und die sind nicht schön) drehte, mit kurzem Cameo von Isabelle Adjani (10 Sekunden von drei Minuten?), einer Parodie auf die Treppenszene von „Panzerkreuzer Potemkin“ inkl. Originalbilder und solche auch aus einem halben dutzend weiterer Filme. Eine charmante Petitesse.

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba