Antwort auf: Mike Osborne

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Mike Osborne Trio – Border Crossing | Fünf Jahre existierte das Trio von Mike Osborne mit Harry Miller und Louis Moholo bereits, als damals seine erste Aufnahme erschien, am 28. September 1974 live im Peanuts Club (Kings Arms, Bishopsgate, London EC2) aufgenommen. Natürlich war Ogun das Label, das die Platte herausbrachte (siehe dazu das Zitat im ersten Post oben). Sechs Originals von Osborne sind zu hören, dazu eins von Miller. Vieles ist recht kurz gehalten (manches wird leider auch ausgeblendet), aber das tut der Spielfreude und Experimentierlust des Trios keinen Abbruch. Die Tempi sind beweglich und der Beat stets flexibel, Miller ändert behende Tempo oder Rhythmus, Moholo setzt immer wieder überraschende Akzente, verschleppt, beschleunigt, setzt die Snare ein, um laut zu werden. Es entsteht ein Flow, der von Stück zu Stück weiter läuft. Das Album entwickelt einen Sog, der nach dem etwas verhaltenen Einstieg immer stärker wird. Highlight ist „1st“, das vierte Stück, das mit fast zehn Minuten klar das längste ist – und uns heute schon von einer Version von 1970 bekannt (siehe oben). Hier funktionieren auch die Wiederholungen und Variationen von Osborne wieder prächtig, er baut so immer wieder Druck auf, aber dank der leichten und enorm beweglichen, blitzschnellen Rhythmusgruppe nie zu mächtig oder zu schwer wird. Sehr toll der Übergang vom schnellen „Riff“ in den abschliessenden Titeltrack mit seinem langsamen Groove, in dem das Trio noch einmal alles in die Waagschale wirft. Von all den südafrikanischen Alben, die keine wirklichen südafrikanischen Alben sind, ist das vielleicht mein allerliebstes. Wieder aufgelegt wurde es 2004 auf einem CD-Twofer zusammen mit „Marcel’s Muse“ (1977, dazu später).

Mike Osborne Trio – All Night Long (The Willisau Concert) | 2007 starb Osborne, 25 Jahre nach seinem Rückzug aus der Öffentlichkeit, ein paar Tage vor seinem 66. Geburtstag. 2008 wurde das Live-Album vom Jazzfestival Willisau mit zwei Bonustracks wieder aufgelegt und Reel Recordings veröffentlichte drei Aufnahmen von 1980/81, die auf dem Reissue des Willisau-Albums bereits angekündigt wurden. Der Mitschnitt entstand im Hotel Mohren (sagt die Willisau Archiv-Website) oder im Hotel Kreuz (sagt einer der dort zu findenden Presseartikel) – jedenfalls im Rahmen eines einzelnen Konzertes, nicht beim Festival. Hier zieht das Trio noch einmal andere Saiten auf, das ist alles intensiv brennende Musik, bei der um Millers rasenden Bass herum das geerdete und lodernd brennende Saxophon und die unberechenbaren Drums ihren Zauber entfalten – und ich finde das heute noch toller als „Border Crossing“, das im direkten Vergleich ein wenig verhalten wirkt. Drei Sets seien gespielt worden, zwei Auszüge aus einem davon wurden gemäss den Liner Notes von Keith Beal für die Platte ausgewählt. Seite 1 kriegte den Titel „All Night Long“ und enthält neben zwei Oscborne-stücken das Kollektive „Rivers“ und Monks Klassiker „Round Midnight“ (drei Tracks auf der CD). Dann folgt „Waltz“ (Osborne, 7 Minuten), vermutlich nicht auf der LP (obwohl beim CD-Reissue anders vermerkt). Seite 2 der LP heisst „Recapitulations“, dauert 23 Minuten und enthält die Segmente „Ken’s Tune“, „Country Bounce“, „All Night Long“ und „Trio Trio“ – ausser dem kollektiven „Country Bounce“ alles Stücke von Osborne (und ein einziger Track auf der CD). Die CD enthält 27 Minuten mehr Musik: nochmal „Scotch Pearl“ aus Willisau (halb so lang wie die Version auf Seite 1 der LP) sowie das 22:38 lange „Now and Then, Then and Now“ (auch von Osborne), zu dem nur „recorded live in Europe“ steht. Das Frontcover ist natürlich auch wieder von Troxler, auf der Papphülle gibt es auch Bandfotos (das vor der Holztür von Andreas Raggenbass wohl beim ersten Auftritt des Trios in Willisau am 21. September 1974, das andere von unbekannt, ich tippe auf Markus DiFrancesco, der entweder beim Auftritt am 3. April 1976, für den Troxler auch das Plakat gestaltet hatte, das als Plattencover dient, oder jenem mit Harry Millers Isipingo am 29. August 1976 zugegen war – auf dem Foto trägt Osborne jedenfalls dasselbe Shirt):


Von Raggenbass und dem Konzert am 21. September 1974 stammen auch diese Fotos von Osborne und Moholo in Aktion:

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba