Startseite › Foren › Kulturgut › Für Cineasten: die Filme-Diskussion › Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II) › Antwort auf: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)
„Tardes de soledad“ (Albert Serra, 2024)
Der (nicht mehr ganz) neue Film von Albert Serra porträtiert den Torrero Andrés Roca Rey, einen der besten seiner Zunft, über gut zwei Stunden (und drei Jahre Drehzeit hinweg) mittels entsprechenden Framings aus nächster Nähe. Roca erinnert dabei mehr als nur ein wenig an den jungen Tom Cruise. Tatsächlich fällt es nicht schwer, sich Tom Cruise mit einer ähnlichen, dauerhaft schulterklopfenden Entourage vorzustellen.
Die Sprache ist dabei oft derb. Auffällig ist vor allem, dass Roca ständig riesige cojones attestiert werden. Man könnte das wahlweise auf den Machismo schieben oder auf unterschwellige Homoerotik, aber vielleicht müssen die Herren sich das auch deshalb so oft gegenseitig versichern, weil sie ständig mit gigantischen Bullenklöten konfrontiert werden.
Vieles wirkt auf Außenstehende seltsam oder gar grotesk, beispielsweise das Ankleiden im Hotelzimmer – irgendeine Rezension zog einen Vergleich zu Auftrittsvorbereitungen von Drag Queens. Das ist den Drag Queens gegenüber vielleicht etwas unfair, aber wenn man die entsprechende Szene sieht: yep, passt! Auch die gockeligen Bewegungen in der Arena unter extremer Körperspannung muten seltsam an – in manchen Momenten erinnert das an Schlaganfall-Opfer.
Die Stierkampfszenen mit blutigen Close-Ups sind teilweise schwer zu ertragen, aber das ist ja auch das Mindeste. Ich persönlich habe mich dabei auf die Seite der Stiere geschlagen und ja, mich gefreut, wenn Roca mal erwischt wurde (keine größeren Verletzungen). Ein Anti-Stierkampffilm ist „Tardes de soledad“ trotzdem nicht – wie soll das auch gehen, wenn der Film einen Matador über die gesamte Spielzeit so in den Mittelpunkt stellt. Kritiker ziehen, wenig überraschend, Vergleiche zu „Zidane, un portrait du 21e siècle“, der auf ähnliche Art und Weise Zinedine Zidane per Kamera-Framing über 90 Minuten auf dem Fußballplatz isolierte.
--
"Don't reach out for me," she said "Can't you see I'm drownin' too?"