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Krankheitshalber das eine oder andere verpasst, aber Samstag war ich wieder im Kino – und zum Glück hab ich mich aufgerafft, bei der Hitze: The Interview (Indien 1971) von Mrinal Sen wurde gezeigt, einem Regisseur, den ich bisher gar nicht kannte. Schwer beeindruckt von diesem frechen Film voller unerwarteter Wendungen. Eine bissige, hochpolitische Satire auf die postkoloniale Gesellschaft mit krassem Tempo, toller (und irritierender) Musik dazu, phantastisch gut geschnitten und gefilmt. Alle Wände werden durchbrochen, bis der Film sich als Film entblösst, das Publikum dem Film abhanden kommt. Dabei werden Konventionen hinterfragt und in ihrer Leere vorgeführt, die ganze Gesellschaft als die Farce entblösst, die sie ist. Das ist alles nicht oder nur einigermassen linear und wird am Ende quasi zurück gespult … wirklich heftig, was in diesen 85 Minuten oder wie viele es sind (im Programm stand eine falsche Angabe mit über 100) alles abgeht. Dazu dient die triviale Geschichte, dass ein junger Mann für ein Bewerbungsgespräch (das „interview“ eben) einen Anzug braucht, aber blöderweise die Reinigungsfirmen an dem Tag streiken. Der Film hat unglaublichen Drive, schwankt zwischen Wut und Angst, offenbart die Entfremdung der modernen Welt … ach ja: und im Vorspann werden unter unglaublichem Lärm Denkmäler demontiert und weggekarrt. Ein Film, der von heute sein könnte.
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