Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

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Ich krieg’s grad nur schlecht hin mit den Berichten … mehr eine Liste als ein Bericht also. Oben ein Schnappschuss von der Einführungsmatinee zu Beat Furrers neuer Oper „Das grosse Feuer“, die am 9. März im Bernhardtheater stattfand (gleich neben dem Opernhaus Zürich), von links Dramaturg Claus Spahn, der das Gespräch leitete, Komponist Beat Furrer, Co-Regisseurin  Vivien Hohnholz (sie musste die Leitung der Proben übernehmen, da Tatjana Gürbaca erkrankte), sowie die Sänger Leigh Melrose und Ruben Drole.

22.03.2025 – Basel, Stadtcasino – Toxisch
Kammerorchester Basel / Basler Madrigalisten / Giovanni Antonini, Leitung
Florian Boesch, Graf Almaviva / Anett Fritsch, Gräfin Almaviva / Robert Gleadow, Figaro / Nikola Hillebrand, Susanna / Anna Lucia Richter, Cherubino / Anna-Doris Capitelli, Marcellina / Shinyoung Kim, Barbarina / Joshua Spink, Don Basilio und Don Curzio / Riccardo Novaro, Bartolo und Antonio

WOLFGANG AMADEUS MOZART: Le nozze di Figaro (KV 492) – konzertante Aufführung

Das war einmal mehr eine umwerfende konzertante Aufführung einer Oper mit Antonini am Pult des KOB. Es gab die üblichen halb-szenischen Momente, Auf- und Abgänge, Bewegungen zwischen dem Orchester … und vor allem gab es eine Traumbesetzung, sowohl in der Titelrolle wie besonders bei den Frauen: Fritsch, Hillebrand und Richter waren allesamt umwerfend, aber auch die kleinen Rollen waren hervorragend besetzt. Vor allem war das atmende, sehr bewegliche und frische Musik. Meine einzige Kritik bezieht sich auf die Balance zwischen Orchester und Stimmen: da die Stimmen fast im Orchester standen, war die Verständlichkeit nicht so gut (und dass die Übertitel nur deutsch projiziert wurden, obwohl genügend Platz für Original + Übersetzung gewesen wäre, fand ich auch schade, aber das ist ja üblich, dass man da nur eine Sprache kriegt – bzw. in Zürich dt/eng, kein Original, ausser es wird in eienr der zwei Sprachen gesungen).

 

24.03.2025 – Zürich, Tonhalle – Neue Konzertreihe Zürich
Grigory Sokolov, Klavier

WILLIAM BYRD: John come kiss me now / The first pavan. The galliard to the first pavan / Fantasia / Alman / Pavan: The Earl of Salisbury. Galliard. Second galliard / Callino casturame

JOHANNES BRAHMS: Vier Balladen op. 10 / Zwei Rhapsodien op. 79

Zugaben: FRÉDÉRIC CHOPIN: Mazurka op. 30/1 / Mazurka op. 50/3 / JEAN-PHILIPPE RAMEAU: Les Sauvages / CHOPIN: Mazurka op. 68/2 / RAMEAU: Le Tambourin / CHOPIN: Prélude op.28/20

Einmal mehr grossartig – für meine Ohren ganz besonders der erste Teil, ein 35minütiger Block mit Musik von William Byrd, in der wieder einmal Sokolovs Technik zu bewundern war – mit der er dem Monstrum auf der Bühne so bezaubernde, unglaublich zarte und nuancierte Klänge zu entlocken vermag. Der Brahms nach der Pause war wuchtig und dunkel – auch toll, aber sehr anders. Die Zugaben – mit den üblichen zwei Abgängen nach jedem Stück – verschmolzen dieses Mal auch fast zu einem Block: Chopin, zweimal unterbrochen von geliebten Rameau-Stücken.

27.03.2025 / 28.03.2025 / 29.03.2025 – Winterthur, Stadthaus – In Memoriam Boulez & Rihm / Meet the Jack Quartet / Das Jack Quartet spielt Boulez und Cage
Musikkollegium/Volkov, JACK Quartet: In Memoriam Pierre Boulez & Wolfgang Rihm
#TGIF: JACK Quartet (Brook, Seo, Vicentino, Lachenmann 3)

Musikkollegium Winterthur / Ilan Volkov Leitung (27.3.)
JACK Quartet: Christopher Otto, Austin Wulliman, Violine / John Pickford Richards, Viola / Jay Campbell, Violoncello

PIERRE BOULEZ: «Mémoriale» (… explosante-fixe … Originel)
WOLFGANG RIHM: «Concerto» Dithyrambe für Streichquartett und Orchester

BERND ALOIS ZIMMERMANN: Rheinische Kirmestänze für 13 Bläser
ARNOLD SCHÖNBERG: «Verklärte Nacht» op. 4, Fassung für Streichorchester

TAYLOR BROOK: Organum
NICOLA VICENTINO: Madonna, il poco dolce – Musica prisca caput
TAYLOR BROOK: Ars Nova
JURI SEO: Three Imaginary Chansons
TAYLOR BROOK: Phrygea
HELMUT LACHENMANN: Steichquartett Nr. 3 «Grido»

PIERRE BOULEZ: Livre pour quatuor, Teil 1b
EVA-MARIA HOUBEN: Nothing more
PIERRE BOULEZ: Livre pour quatuor, Teil 3c
ANTON WEBERN: Sechs Bagatellen für Streichquartett, op. 9
JOHN CAGE: String Quartet in Four Parts

PIERRE BOULEZ: Livre pour quatuor, Teil 1a
AUSTIN WULLIMAN: Escape Rites
ANTHONY CHEUNG: «Twice Removed» Auftragswerk des JACK Quartet mit Unterstützung der Ernst von Siemens Musikstiftung, 92nd Street Y und Wigmore Hall
PIERRE BOULEZ: Livre pour quatuor, Teil 2

Ende März war dann das JACK QUARTET zu Gast beim Musikkollegium in Winterthur, das selbst nur am ersten Konzert beteiligt war. Bei diesem war Schönberg das grosse Highlight, die kurzen Stücke von Boulez und seinem Kontrahenten Zimmermann (gute Programmierung, fand ich) dienten jeweils eher der Einleitung, wobei mir die Kirmestänze (für Blasensemble) etwas zu albern waren. Das Konzert von Rihm war ziemlich heftig, sehr intensive, laute Musik, in der das Quartett als geschlossener Klangkörper eingesetzt wird. Hörenswert auf jeden Fall, aber eben: Schönberg war dann halt doch das Highlight.

Am zweiten Abend gab es im Rahmen der #TGIF-Reihe um 18:30 Uhr ein moderiertes, gut einstündiges Konzert. Hannah Schmidt führte kompetent durch das Programm und erläuterte besonders im ersten Teil die mikrotonalen Spieltechniken, die sich aufgrund des gewählten Materials ergab. Mit solchen Stücken bestreitet das Quartett auch abendfüllende Konzerte und ich hätte wirklich gerne mehr gehört. In Winterthur war nur das Stück von Vicentino als (1511-1576 sind seine Lebensdaten), er nutzte ein mehrmanualiges Cembalo (bzw. einen Vorgänger eines solchen), um in unterschiedlichen Tonarten rein spielen zu können. Und das ist auch das Stichwort für die Stücke von Brook (*1985) und Seo (*1981): wie in der Gregorianik werden reine Intervalle (mit Obertonreihen) gespielt, aber durch die Mehrstimmigkeit ergeben sich ständig Reibungen, Verschiebungen, Dissonanzen, die dann mit grossem Effekt aufgelöst werden. Das war alles recht stille Musik – aber unendlich faszinierend. Bei manchen Übergängen dachte ich an klassische nordindische Musik, aber das mag eine Einbilung gewesen sein. Dass es zum Abschluss dann Lachenmanns drittes Streichquartett gab – für das Arditti Quartet komponiert und mit diesem hörte ich es letzten November auch schon, JACK hat bei diesem gelernt und obendrein in Zusammenarbeit mit Lachenmann auch alle drei von dessen Quartetten eingespielt – war dann ein guter Entscheid, denn es ist für Lachenmanns Verhältnisse zumal ein zupackendes, ziemlich lautes Stück. Ein sehr tolles Konzert, und ich freute mich entsprechend sehr auf den dritten Abend.

Dieser wurde von Boulez‘ „Livre pour quatuor“ gegliedert, aus dem das Quartett vier Ausschnitte spielte, ca. 23 Minuten insgesamt. Dazwischen gab e wieder Zeitgenössisches: ein kurzes Stück von Houben (*1955), sowie die längeren Werke vom Geiger Wulliman und Cheung (beide *1982), und im ersten Teil auch noch die modernen Klassiker von Webern und Cage. Das Streichquartett von letzterem kannte ich noch gar nicht, es geht durch die vier Jahreszeiten (fängt mit „Summer“ an, wird mit „Autumn“ und „Winter“ karger und endet fast beschwingt mit „Spring“). Die Faszination vom Vorabend stellte sich nicht ganz ein, aber das hatte auch mit dem Material zu tun, das eben nur teils mikrotonal war – und klar: das „Livre pour quatuor“ hätte ich sehr gerne vollständig gehört, was an diesem Abend aber den Rahmen gesprengt hätte. Zudem scheint es gemäss Boulez gestattet zu sein, nur einzelne Teile aufzuführen und auch die Reihenfolge scheint nicht fix vorgegeben zu sein.

Die drei Abende waren unterm Strich sehr toll – und ich denke immer, wenn ich zeitgenössische Musik oder Musik ca. aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hören kann, dass ich gerne viel mehr davon in den Konzertprogrammen hätte. Das Publikum sieht das ja leider anders: die Quartettkonzerte waren erwartungsgemäss nicht so gut besucht, aber dass auch der Abend mit Orchester vor halb- oder zweidrittelvollen Rängen stattfand, fand ich schon sehr bedauerlich.

30.03.2025 & 04.04.2025 – Zürich, Opernhaus – Das grosse Feuer

Das grosse Feuer – Oper von Beat Furrer (*1954) nach dem Roman «Eisejuaz» von Sara Gallardo, Libretto von Thomas Stangl / Auftragswerk des Opernhauses Zürich, Uraufführung

Musikalische Leitung Beat Furrer / Inszenierung Tatjana Gürbaca / Co-Regie Vivien Hohnholz / Bühnenbild Henrik Ahr / Kostüme Silke Willrett / Lichtgestaltung Stefan Bolliger / Einstudierung Vokalensemble Cordula Bürgi / Dramaturgie Claus Spahn
Eisejuaz Leigh Melrose / Paqui Andrew Moore / Die alte Chahuanca 1 Cornelia Sonnleithner / Die alte Chahuanca 2 Helena Sorokina / Die alte Chahuanca 3 Piroska Nyffenegger / Aquella Muchacha Sarah Aristidou / Selim Christoph Brunner / Lucia 1 Friederike Kühl / Lucia 2 Patricia Auchterlonie / Mauricia, Lucias Schwester Elina Viluma-Helling / Reverendo, Missionar Hugo Paulsson Stove / Ayo, Schamane Ruben Drole
Gomez Piotr Pieron / Pocho Zavalla/Yadi, Eisejuaz Freund Ferdinand Junghänel / Eine Frau/Stimme einer Krankenschwester Filippa Möres Busch / Ein Jäger David de Winter / Der hinkende Alte Bernd Lambauer
Philharmonia Zürich / Cantando Admont / Statistenverein am Opernhaus Zürich

Die neue Oper von Beat Furrer mag in manchen Aspekten eine vertane Chance sein, wie in der Rezension der Zeit zu lesen war – musikalisch fand ich das Stück allerdings umwerfend. Auch hier spielt Mikrotonalität eine wichtige Rolle, der für diesen Abend zwölfköpfige Chor Cantando Admont (aus dem diverse der kleineren Rollen besetzt wurden) ist in der alten Musik und der zeitgenössischen unterwegs, ist in der Lage, in reiner Intonierung zu singen und kann – wie das JACK Quartet – auch mit den Reibungen und Dissonanzen umgehen, die sich daraus ergeben – Chor wie auch Aristidou und Brunner hörte ich letzten Sommer schon, als im Rahmen von Furrers „composer in residence“-Auftritt beim Lucerne Festival sein „Begehren“ gespielt wurde – auch mit em Komponisten selbst als Leiter. Leigh Melrose glänzte in der Titelrolle, Moore als Ekel Paqui war ebenfalls stark, von den nicht zum Chor gehörenden Sänger*innen waren zudem Aristidou und Drole in ihren Rollen sehr stark. Doch wichtiger als einzelne Leistungen – von Melrose abgesehen – war das ganze, diese fliessende, sich ständig bewegende, oft leise aber auch immer wieder sehr intensive Musik, die da enstand zwischen dem Graben und der schiefene Ebene der offenen Drehbühne (keine Umbauten, im Hintergrund hing sichtbar eine Garderobe für die Chorsänger*innen, wenn diese von Einzelrollen ins Ensemble und zurück wechseln mussten). Endlos faszinierend fand ich das, und war froh, von Beginn an zwei Besuche geplant zu haben (beim ersten war das Haus voll, Volksvorstellung, ich zwängte mich in einen unbequemen Platz vorn in einer Loge … sollte ich mir in Zürich echt abgewöhnen, lieber weniger sehen und etwas mehr Platz haben).

03.04.2025 – Zürich, Tonhalle – Eva Ollikainen & Håkan Hardenberger

Tonhalle-Orchester Zürich / Eva Ollikainen Leitung
Håkan Hardenberger Trompete

RICHARD WAGNER: Vorspiel zur Oper «Lohengrin»
JÖRG WIDMANN: «Towards Paradise» (Labyrinth VI) für Trompete und Orchester – Schweizer Erstaufführung

ANNA THORVALDSDOTTIR: «Metacosmos» für Orchester – Schweizer Erstaufführung
JEAN SIBELIUS: Sinfonie Nr. 7 C-Dur op. 105

Auch in der Tonhalle gab es dann wieder zeitgenössische Musik – nicht geleitet von Paavo Järvi dieses Mal sondern von der jungen Finnin Eva Ollikainen (definiere jung, ich bin es ja auch nicht mehr, sie ist drei Jahre jünger als ich), die erstmals am Pult des Orchesters stand und sich stark für zeitgenössische Musik einsetzt. In der Prélude in der kleinen Tonhalle gab es davor ein Gespräch mit einem ETH-Dozenten über schwarze Löcher, zu dem dann auch Thorvaldsdottir stiess, die ein wenig über ihr Werk sprach. Zudem führte das Nemesis Quartett (zu dem auch Wojciech Chałupka gehört, der in der letzten Prélude als Komponist vorgestellt worden war) Jörg Widmanns „7 Capricci für Saxophonquartett“ (2021) auf.

Das Hauptkonzert stimmte mich dann auf meinen letzten Opernbesuch ein mit der Lohengrin-Ouvertüre, danach bewegte sich Håkan Hardenberger in Widmanns erstmals in der Schweiz zu hörendem Trompetenkonzert auf insgesamt zehn Positionen von hinter der rechten Bühnentür durch das Orchester (inklusive Stationen links und rechts des Dirigentenpodests) bis zum letzten Ton, den er spielte, nachdem er die Bühne bereits wieder – dieses Mal durch die linke Tür – verlassen hat. Ein ziemlich tolles Stück, fand ich, sehr überzeugend dargeboten auch vom Orchester. Nach der Pause dann Thorvaldsdottirs Orchesterstück und zum Ausklang wieder etwas konventioneller – aber sehr passend, überhaut ein toll programmiertes Konzert – Sibelius‘ letzte Sinfonie.

06.04.2025 – Zürich, Kleine Tonhalle – Literatur und Musik: Anna Schudt liest isländische Sagas

Peter McGuire Violine
Antonia Siegers-Reid Viola
Ioana Geangalau-Donoukaras Violoncello
Ulrike-Verena Habel Cembalo

Anna Schudt Lesung: „Die Saga von Gunnlaug Schlangenzunge“ (aus dem Altisländischen von Betty Wahl)

ANNA THORVALDSDOTTIR: «Fingerprints» für Cembalo (2003)
Anna Thorvaldsdottir im Gespräch mit Ulrike Thiele
Lesung, unterbrochen von Auszügen aus «Spectra» für Violine, Viola und Violoncello (2017) sowie «Sola» für Viola und Electronics (2019); zum Abschluss «Shades of Silence» für Violine, Viola, Violoncello und Cembalo

Am ersten Sonntag im April dann wieder mal eine Matinee in der Tonhalle aus der Reihe Literatur & Musik. Anna Schudt las eine gegen Ende fast schon splatterhaft blutige isländische Sage, eingerahmt von Kammermusik von Thorvalsdottir, die natürlich auch wieder dabei war und nach dem öffnende Solo für Cembalo im Gespräch ein wenig über ihre Arbeit redete – ohne viel zu sagen, weil bei sowas ja am Ende oft doch nur Plattheiten herauskommen, der Prozess zu schwierig oder unberechenbar ist, als dass er präzise beschrieben werden könnte. Dennoch finde ich es natürlich schön, wenn Komponist*innen auch mal anwesend sind. Im Fall von Thorvalsdottir gehört das aufgrund ihrer Rolle als „Creative Chair“ der laufenden Saison natürlich auch dazu, sie war ja zur Eröffnung letzten Herbst schon einmal hier. Und dass ich in diesem Fall vor allem der Musik wegen dort war, wird auch nicht überraschen. Wie viel wir von „Sola“ und „Shades of Silence“ zu hören gekriegt haben, ob allenfalls auch alles, einfach in mehreren Teilen, weiss ich leider nicht, der Programmzettel ist sehr knapp gehalten. Im Mai liest dann Sunnyi Melles aus Fleur Jaeggys „Seelige Jahre der Züchtigung“ und dazu gibt es Musik aus Berios Duetti per due violini – da bin ich natürlich nochmal dabei.

09.04.2025 – Milano, Teatro alla Scala – L’opera seria

L’opera seria – Florian Leopold Gassmann, Commedia per musica. Libretto di Ranieri de’ Calzabigi

Orchestra del Teatro alla Scala su strumenti storici e Les Talens Lyriques
Direttore CHRISTOPHE ROUSSET / Regia e costumi LAURENT PELLY / Scene MASSIMO TRONCANETTI / Luci MARCO GIUSTI / Coreografia LIONEL HOCHE
Fallito Pietro Spagnoli / Delirio Mattia Olivieri / Sospiro Giovanni Sala / Ritornello Josh Lovell / Stonatrilla Julie Fuchs / Smorfiosa Andrea Carroll / Porporina Serena Gamberoni / Passagallo Alessio Arduini / Bragherona Alberto Allegrezza / Befana Lawrence Zazzo / Caverna Filippo Mineccia / Ballerina María Martín Campos / Coro di ballerini: María Martín Campos (soprano), Dilan Şaka (mezzosoprano), Haiyang Guo (tenore), Xhieldo Hyseni (basso)

Dann ging es drei Tage auf Kulturreise … ein paar Ausstellungen in Mailand, Lugano, Luzern und Aarau (Highlight: George Hoyningen-Huene im Palazzo Reale und die Schau zur Neutralität im Aargauer Kunsthaus), eine Oper in Mailand und Konzerte in Lugano und Basel.

Los ging es mit einer Rarität von Gassmann (1729-1774), einem Lehrer von Salieri und einem der wichtigeren Komponisten direkt vor Mozart. In Wien war Gassmann der Nachfolger von Gluck – und das passt auch, um seine Musik zu beschreiben: zwischen Gluck und Mozart. In „L’opera seria“ wird eine Oper aufgeführt: im ersten Akt treffen alle ein, schmieden ihre Intrigen, pflegen ihr Divenverhalten usw. Im zweiten Akt wird dann geprobt und im kurzen dritten Akt fällt bei der Aufführung alles zusammen und es gibt eine Art Vaudeville-Schluss mit kurzen Soli aller Mitwirkenden. Musikalisch war das bei Rousset (den ich bisher nie live gehört habe) genau in den richtigen Händen, die recht kleine Orchesterbesetzung sorgte für grosse Transparenz und Durchhörbarkeit – im grossen Theater war das allerdings auch etwas leise, und dass gerade der Salone del Mobile (aka Milan Design Week – gemäss meinem Begleiter aus Mailand die schlimmste Woche des Jahres überhaupt, schlimmer als alles, was mit Mode zu tun habe) lief, sorgte wohl für einen höheren Anteil desinteressierter und unruhiger Leute im Saal. Den ersten Akt fand ich insgesamt nicht so gut, die Damen klangen oft schrill – aber klar, damit spielt das satirisch angelegte Stück natürlich gerade auch. Im zweiten Akt wurde der Abend dann allerdings richtig gut und blieb das auch bis zum Schluss. Wenig hilfreich fand ich die sehr cshön anzuschauenden einheitlichen Kostüme: ich konnte die Figuren bis zum Schluss kaum auseinanderhalten (auch wenn der Plot trotz viel Pesonals doch einfach zu verfolgen war). Schön anzuschauen war das allerdings sowieso, auch die Bühne mit einer Art stilisierten Klaviertastaturen (die schwarzen Tasten waren Lücken, durch die auf- und abgetreten wurden). Echt stimmig alles, ein paar Farbakzente vor allem bei den drei Damen (Stronatrilla, Smorfiosa, Porporina) hätten mein Problem auch bereits gelöst. Jedenfalls war die Oper die Reise und den Besuch wert, und ich freue mich bereits auf den nächsten im Mai, wenn „Il nome della rosa“ von Francesco Filidei uraufgeführt wird.

10.04.2025 – Lugano, LAC – OSI/Yulianna Avdeeva

Orchestra della Svizzera Italiana / Markus Poschner Leitung
Yulianna Avdeeva Klavier

Ludwig van Beethoven: Coriolano ouverture in do minore op. 62 (1807)
Piotr Il’ič Čajkovskij: Concerto per pianoforte e orchestra n. 1 in si bemolle minore op. 23 (1875)

Dmitrij Šostakovič: Sinfonia n. 9 in mi bemolle maggiore op. 70 (1945)

Am nächsten Morgen ging es dann nach Lugano weiter – bei schönstem Frühlingswetter. Und am Abend dort ins Konzert des OSI, das ich auch endlich mal mit seinem Chefdirigenten Markus Poschner zu hören kriegte. Und die Wiederbegegnung mit Yulianna Avdeeva (im LAC schon mit Julia Fischer gehört, neulich in Winterthur nicht ganz überzeugend gefunden) war auch sehr gut. Sie spielte das erste Konzert von Tschaikowksi mit viel Verve und sehr überzeugend, bot als erste Zugabe dann ein Prélude von Schostakowitsch, und als eine zweite Zugabe unabdingbar war auch noch Tschaikowskis „Méditation“ (aus den 18 Morceaux Op. 72). Das grosse Highlight war dann allerdings die Symphonie von Schostakowitsch – eine Premiere für mich (überhaupt, nicht nur im Konzertsaal), umwerfend dargeboten vom Orchester und dem Dirigenten, der den ganzen Abend ohne Partituren bestritt.

11.04.2025 – Basel, Stadtcasino – Von der Muse geküsst

Kammerorchester Basel / Izabelė Jankauskaitė Leitung
Sebastian Bohren (Schoeck) & Júlia Pusker (Bartók) Violine

OTHMAR SCHOECK: Konzert für Violine und Orchester in B-Dur «Quasi una fantasia»

BÉLA BARTÓK: Konzert für Violine und Orchester Nr. 1
E: BARTÓK: 2 aus den 44 Duetten für 2 Violinen
FRANZ SCHUBERT: Sinfonie Nr. 3 in D-Dur

Meine Reise schloss nach einem Tag, an dem ich quer durch die Schweiz fuhr (wir können Zug, und ich hoffe sehr, dass das trotz allem so bleiben wird) und Ausstellungen in Luzern und Aarau besuchte, in Basel, beim zweitletzten Konzert des Kammerorchesters im Stadtcasino (im Mai höre ich dort noch eines, wieder mit Avdeeva, und im Juni dann ein Haydn-Konzert mit Antonini an der anderen Spielstätte, das ich wegen einer Terminkollision mit dem letzten Stadtcasino-Konzert abgetauscht habe). Gleich zwei Solist*innen an der Violine waren dabei, das Konzert wurde komplett umgestellt (geplant war: Schubert, Bartók und nach der Pause Schoeck, die Aufführung in Basel war die vierte und letzte). Die Muse im Titel ist natürlich Stefi Geyer, der Bartók sein postum von Hansheinz Schneeberger uraufgeführtes erstes Konzert gewidmet hat – die Smirnov-CD mit Schneebergers Solo-Sonate habe ich übrigens gerade aufgetrieben, danke @yaiza, bin aus erste Hören gespannt!), und mit der auch Schoeck eine nicht erwiderte Liebe verband. Bohren spielte also das lange (ca. 35 Minuten) dauernde Konzert im ersten Teil, mit schönem, schnörkellosen Ton, ganz so, wie ich ihn im Januar schon beim Musikkollegium Winterthur unter Heinz Holliger mit einem Konzert von Willy Burkhard gehört hatte. Pusker im Bartók war dann dramatischer, effektvoller – und für meine Ohren vielleicht auch eine Spur überzeugender – aber das alles mag mehr mit den Werken als den Solist*innen zu tun haben? Erst danach kam auch Bohren nochmal auf die Bühne, gemeinsam spielten die beiden zwei aus den 44 kurzen Duetten für zwei Violinen, bevor das wunderbare Konzert mit Schubert zum Abschluss kam (das KOB hat die Symphonien vor einigen Jahren mit Holliger komplett eingespielt).

16.04.2025 – Zürich, Opernhaus – Lohengrin

Lohengrin – Romantische Oper in drei Aufzügen von Richard Wagner (1813-1883), Libretto vom Komponisten

Musikalische Leitung Axel Kober / Inszenierung Andreas Homoki / Bühnenenbild Wolfgang Gussmann / Kostüme Wolfgang Gussmann, Susana Mendoza / Lichtgestaltung Franck Evin / Choreinstudierung Janko Kastelic / Dramaturgie Werner Hintze
Heinrich der Vogler Christof Fischesser / Lohengrin Piotr Beczała / Elsa von Brabant Simone Schneider / Friedrich von Telramund Martin Gantner / Ortrud Anna Smirnova / Heerrufer Michael Kraus / Vier brabantische Edle Christopher Willoughby, Felix Gygli, Tomislav Jukic, Max Bell / Vier Edelknaben Rosa Maria Hernandez, Katarzyna Rzymska, Eleanor Paunovic, Bernadeta Sonnleitner
Philharmonia Zürich / Chor der Oper Zürich / Zusatzchor der Oper Zürich / SoprAlti der Oper Zürich / Statistenverein am Opernhaus Zürich

Und dann zuletzt, am Mittwoch vor Ostern, mein erster „Lohengrin“. Die Inszenierung wurde 2014, als Homoki noch ganz neu in Zürich war, erstmals aufgeführt und zwischendurch wenigstens schon einmal wiederaufgenommen, aber ich habe es erst jetzt geschafft, nachdem meine Wagner-Annäherungen seit ein paar Jahren rasant voranschreiten. Als Stück fand ich die „romantische Oper“ dann doch erstaunlich konventionell (dass meine Wagner-Streifzüge ausgerechnet mit dem „Parsifal“ begannen, war vermutlich nicht optimal – weder was das Tempo der Versöhnung noch die dadurch geschürte Erwartung ans restliche Werk betrifft), aber vieles daran ist natürlich überhaupt nicht konventionell und soweit ich das erfassen konnte hervorragend gemacht – nicht zuletzt die Ouvertüre zum ersten Akt, die ich ja kurz davor schon im Konzert gehört hatte. Den Cast fand ich sehr ausgewogen und überzeugend, Beczała aber definitiv der primus inter pares oder noch etwas mehr. Die einfache Inszenierung – auch hier eine Bühne ohne Umbau (die dritte in Folge – bei Gassman wurden nur „Streifen“ mit Holzplanken herein- und hinausgeschoben) – gefiel mir sehr gut, auch wenn die Kostüme vom bayrischen Dorffest nicht mein Fall waren. In sich sehr stimmig umgesetzt, ohne zu besteigende Schwäne („Wann fährt der nächste Schwan?“) oder sowas. Neben Beczała überzeugten mich besonders die beiden Frauenrollen bzw. ihre Sängerinnen, Schneider und Smirnova. Und das Orchester finde ich eh phantastisch, das habe ich ja schon oft geschrieben.

So, und jetzt bin ich rechtzeitig fertig, um mich fürs Konzert von Claire Huangci vorzubereiten, die hier gleich Ravels Klavierkonzert spielen wird (nach dem Boléro und vor der Rhapsody in Blue – ich nehme an auch wieder mit ihr), mit dem Prague Royal Philharmonic unter seinem Gründer Heiko Matthias Förster. Die treten regelmässig in der Tonhalle Zürich auf, und da ich Huangci mag, schliesse ich mich heute mal meinen Eltern an, die sie schon mehrfach mit dem Orchester gehört haben (zuletzt gestern Abend mit dem Konzert von Grieg).

Sonst ist gerade Klassik-Pause für mich, „Die tote Stadt“ lasse ich aus (vielleicht ein Fehler, aber ich habe die Oper vor ein paar Jahren in Mailand gehört und war damals begeistert), am 1. Mai höre ich Tamara Stefanovich und Pierre-Laurent Aimard mit den „Visions de l’amen“ (in einer halligen Kirche, hoffe die kriege das schlau hin) und am 2. verdufte ich für 10 Tage nach Italien, vor „Il nome della rose“ (geleitet von Ingo Metzmacher, Regie führt Damiano Michielotto) gibt es noch das RAI Orchester mit Kopatchinskaja und Prohaska (unter Maxim Pascal) in Turin und danach gibt es in Parma noch „Andréa Chenier“, eine der Opern, die ich letzten Sommer verpasst habe, als ich notfallmässig im Krankenhaus lag … die damals ebenfalls verpasste „Turandot“ höre ich Ende Mai in Basel, auf „I vespri Siciliani“ muss ich halt warten).

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #163: Neuentdeckungen aus dem Katalog von CTI Records (Teil 2), 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba