Antwort auf: Creed Taylor

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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vorgartenIn loser Folge – die CTI-6000er Serie, erstmal der komplette Output des Jahres 1970:

Hubert Laws, The Crying Song (1969) / Freddie Hubbard, Red Clay (1970) / Antonio Carlos Jobim, Stone Flower (1970) / Joe Farrell Quartet (Reissue als „Song of the Wind“), s/t (1970) / Bill Evans, Montreux II (1970) / Stanley Turrentine, Sugar (1970) / Hubert Laws, Afro-Classic (1970) / Freddie Hubbard, Straight Life (1970)
Das sind ja alles Klassiker und Beinaheklassiker. Es geht was weiter, einiges ist aber auch neu. Hubbard, Laws und Turrentine kommen fest zum Label, (…) Das Label-Programm verschiebt sich weiter zum Jazz: lange Soli, Postbop-Themen, ausgewalzte Grooves. Keine Beatles-Cover mehr (nur auf dem ersten Laws-Album), weniger Pop mit Jazzelementen, CTI wird plötzlich Heimat z.B. für Blue-Note-Leute, die seit 1969 wahrscheinlich dort nicht mehr gut betreut werden (Turrentine, Hubbard) (…) Ein Labor, in dem Jazz, Rock, Elektronik, Black Power, Freigeist, selbstreflexiver Pop, verrückte Fusionen in der Luft liegen, mit denen die meisten Musikern hier (da gehören ja auch noch Jack DeJohnette, Joe Henderson, Ron Carter, George Benson, Bob James, eine Rhythm Section von Elvis dazu) ziemlich gekonnt jonglieren können. Der Markt weiß noch nicht so genau, was er damit machen soll. Creed Taylor schon.
(…) aus der Session von Jobim und Deodato wird noch ein zweites Album zusammengestrickt, mit Benson und Turrentine hat man die Aura von Soul und Blues an Bord, um sie neu zu verpacken.
(…)

Von diesen acht Alben kenne ich immerhin vier (2 x Hubbard, je 1 x Turrentine und Jobim) und finde sie alle ausgezeichnet. Mit Jobim hatte Creed Taylor ja schon vorher zusammengearbeitet, Hubbard hatte nach Blue Note einen kurzen Zwischenstopp bei Atlantic eingelegt, Turrentine machte 1970 von Blue Note direkt zu CTI rüber. Sein letztes BN-Album, das ich kenne, ist The Spoiler (1966), eine etwas angepoppte gute Hard Bop/Soul-Jazz Platte in großer Besetzung mit Arrangements von Duke Pearson. Das Muster seiner späteren BN-Alben dürfte ähnlich sein. Von Freddie Hubbard streame ich gerade A Soul Experiment (1969), ein programmatisches Soul Jazz/R&B-Album, das in seiner Art gar nicht übel ist, aber sich auch etwas anbiedert. Man meint da herauszuhören, dass FH und Atlantic versuchen, „bisher vernachlässigte Marktsegmente zu erschließen“. Aber so richtig neu und aufregend klingt das alles nicht.

Ich finde, verglichen damit, sind die von FH und ST nur ein Jahr später auf CTI veröffentlichten Alben ein großer Sprung nach vorne. Da hört man eine andere, zeitgemäße Klangästhetik und den Mut zu stilistischen Experimenten. Und es kommt alles ohne Pop-Covers aus! So wie Motown oder Stax sich um die Wende von den 60ern in die 70er wandelten, so findet hier der Wandel von Blue Note zu CTI statt, oder so. Elektrisch, smooth, gestochen scharf, funky! Man hört deutlich Creed Taylors Händchen als Produzent, der eine Vorstellung davon hatte, wie Jazz in den 70ern klingen und sich verkaufen konnte. Stanley Turrentine und Freddie Hubbard waren wohl zwei seiner besten Pferde im Stall und hier erleben sie nicht nur ihren zweiten Frühling, sie setzen auch gleich statements.

Von den anderen Alben habe ich vielleicht ein paar Tracks auf Compis. Muss ich mal nachsehen.

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“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.”                                                                                                                                          (From the movie Sinners by Ryan Coogler)