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Juror #2 (Clint Eastwood, 2024)
Eastwoods wahrscheinlich letzter Film ist ein Gerichtsdrama geworden. Schon das Genre sorgt dafür, dass der Film ein eher ruhiger geworden ist, der nur sehr wenig (wenn überhaupt) Action bietet. Statt dessen bietet Juror #2 eine dramatische Geschichte, in der es nicht nur um Schuld oder Unschuld des Angeklagten geht, der im Streit seine Freundin ermordet haben soll, sondern auch um die Frage, ob ein Geschworenengericht überhaupt eine gute Idee ist, um die Schwierigkeit, mit zwölf Menschen, die ganz unterschiedliche Interessen an dem Fall haben, zu einem fairen Urteil zu kommen. Um eine Staatsanwältin, die mit ihrer Anklage politische Motive verfolgt. Und natürlich um den Juror #2, der eine ganz besondere Beziehung zu dem Fall hat, wie sich früh herausstellt. Dadurch gerät er in deutlich stärkere Gewissenskonflikte als seine elf Kollegen, denn es liegen nun sein und des Angeklagten Schicksal in seinen Händen.
Das Ganze ist ruhig erzählt, fesselt aber über die kompletten zwei Stunden. Ich hätte mir insgesamt eine stärke Kritik am Justizsystem gewünscht, aber dafür ist Eastwood wohl der falsche Mann. Er gesteht dem System zu, fehlerhaft zu sein, aber wie so oft in Hollywood werden diese Fehler wettgemacht durch das Engagement der daran Beteiligten.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die überraschende Wende zu Beginn, die den titelgebenden Juror mit dem Fall verbindet. Da fühlte ich mich an so manchen Tatort erinnert, bei dem Privatleben der Ermittler und der Fall auf einmal zusammengehören. Das wirkt bei der ARD konstruiert und das tut es auch hier. Aber wenn man diese Kröte geschluckt hat, überwiegen die Stärken des Films bei weitem.
Service-Anmerkung: eine Post Credit Szene wäre bei diesem Film albern und daher gibt es auch keine. Mit dem letzten Bild ist alles gesagt.
Hundreds of Beavers (Mike Cheslik, 2022)
Auf diesen Film habe ich mich seit Jahren gefreut, auch wenn ich nicht mehr erwartet habe, ihn noch im Kino sehen zu dürfen. Der Film ist eine Naturgewalt, so gelacht habe ich lange nicht mehr, und damit war ich nicht allein. Dabei klingt eine Beschreibung des Films erstmal nicht zwangsläufig nach einem Film, der das heutige Publikum begeistert, ist er doch in schwarz-weiß gedreht und fast vollständig frei von Dialogen. Doch was man hier zu sehen bekommt ist so unglaublich absurd, dabei charmant und komisch, dass ich dennoch behaupte, hier einen zukünftigen Kultfilm gesehen zu haben, der regelrecht kanonisch werden wird. Die Handlung folgt einem Apfelweinverkäufer, der in die amerikanische Wildnis des 19. Jahrhunderts zieht und dort als Pelzjäger bestehen muss. Dabei beginnt er mit nichts als ein paar dünnen Klamotten am Leibe, die ihn kaum vor dem grimmigen Winter schützen. Also setzen ihm Kälte, Hunger und etliche Wildtiere enorm zu. Der Film mischt bei der Darstellung der Natur vogelwild gefilmte Bilder mit Zeichentrickelementen und fast alle Tiere werden von Menschen in entsprechenden Kostümen gespielt, was dazu führt, dass man als Zuschauer glaubt, in eine Mischung aus einem Chaplin-Film und einem Looney Tunes-Cartoon gelandet zu sein. Das ist alles noch so viel irrsinniger, als es sich anhört, man MUSS es einfach gesehen haben. Ich hatte zunächst Bedenken, ob das Konzept über 1:48 Stunden trägt, aber da Cheslik den Wahnsinn stetig steigert, funktioniert das mühelos. Geht ins Kino, schaut diesen Film, dankt mir später.
Service-Anmerkung: eine Post Credit Szene gibt es nicht.
zuletzt geändert von motoerwolf--
And all the pigeons adore me and peck at my feet Oh the fame, the fame, the fame