Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

#12442121  | PERMALINK

gypsy-tail-wind
Moderator
Biomasse

Registriert seit: 25.01.2010

Beiträge: 68,341

Mood in Scarlet heisst das zweite Album (am 4. Dezember 1956 aufgenommen), die Band jetzt Les Modes. Martin Rivera löst Paul Chambers am Bass ab, es gibt wieder ein paar Watkins-Stücke, aber auch ein paar Klassiker, so zum Einstieg „Baubles, Bangles and Bea“ und „Autumn Leaves“. Der eine Bonustrack, „I’ve Got You Under My Skin“, landete auf der obigen Jazztone-Platte, der andere, „We Can Talk It Over“ von Watkins, auf der Harmony-Platte unten (1958) – wie das kam, weiss ich nicht, denn Harmony ist ein Budget-Label von Columbia (via Rouse und Epic kann nicht wirklich sein, denn dazu kam es erst 1960). Die Platte, wie auch die auf Jazztone, ist mehrheitlich aus Dawn-Material zusammengestellt. Bei Jazztone ist das ja klar: die lizenzierten viel … vielleicht war das bei Harmony ja auch so, keine Ahnung.

Das Album bzw. sein CD-Reissue (via Fresh Sound, wo der komplette Dawn-Katalog auf CD wieder aufgelegt worden ist) war mein Einstieg in die Musik der Jazz Modes, und war dafür sicherlich viel besser geeignet als der Erstling – aber das einfach ein glücklicher Zufall. Rouse klingt super hier – und wenn man sich den Plüschvorhang wegdenkt, der im Studie leider wieder um Watkins gewickelt wurde, ist auch das Horn wieder sehr berührend – aber wie wünschte ich mir RVG, der schon 1954 wusste, wie er diesen einzigartigen Sound einfangen konnte! Die Zuzüger*innen sind hier sparsamer eingesetzt, die Musik gradliniger, offener und zugleich tighter. Chino Pozo taucht in „Let’s Try“ auf, einer catchy south of the border-Nummer, bleibt dabei für „Bohemia“ – und da ist zweimal auch Watkins endlich recht gut eingefangen – und den Opener der einstigen B-Seite, „Catch Her“. Eileen Gilbert folgt dann in „Hoo Tai“ und im darauffolgenden Titelstück (mit herausragendem Soli beider Bläser), bevor das Album mit „Linda Delia“ endet, dem betörend schönen Watkins-Stück, mit dem seine Karriere als Leader im Plattenstudio im August 1954 bei Blue Note begonnen hat. Für meine Ohren ist dieses zweite Album ganz gut gelungen, es gibt mehr Inhalt und weniger Ornament, das Gewicht schlägt jetzt auch im Material mehr durch (Nicht so super ist weiterhin die Klangqualität – das Piano ist wie auf dem Erstling stets zu leise, die Drums klingen in der Höhe etwas aufdringlich – aber wie sehr das allenfalls mit den CD-Transfers zu tun hat, weiss ich nicht).

„Under My Skin“ kommt ebenfalls im Latin-Gewand daher. Rumpeldrums, catchy Gegenmelodie des Tenorsax, das in der Bridge mit dem Lead des Horns verschmilzt und dann für den letzten Teil in einen straighten 4/4 wechselt. Auch da ist nichts Bemühtes dabei, einfach ein gutes, für die Zeit doch recht typisches, Arrangement (von wem steht nirgends, aber ich tippe einfach wieder auf Watkins). Das Watkins-Original bietet wieder kontrapunktische Bläser, aber der Groove sitzt so gut, dass hier keine Irritation aufkommt, wie auf den zehn anderen Stücken der Session verschmelzen zudem die Arrangements und die Soli sehr organisch.

--

"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba