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Les Jazz Modes heisst der erste Longplayer, und hier geht die Musik tatsächlich in andere Richtungen. Im Opener ist die Kontrapunktik näher an „Birth of the Cool“ als an „Ah-Leu-Cha“ (woran ich bei der Jazzville-Session denken muss), die Harfe von Janet Putman und der wortlose Gesang von Eileen Gilbert (ihr frühester Credit auf Discogs, es folgen neben den weiter Jazz Modes-Alben auch Platten mit George Benson, Eddie Harris, Bobby Hutcherson, Mary Lou Williams, Jimmy Smith, Edgar Winter, Gregg Allman, Grover Washington oder David Amram) im zweiten Stück gehen dann definitiv in eine Third-Stream-Richtung. Zum Glück ist da dann auch das Horn einigermassen (mehr aber auch nicht!) angemessen aufgenommen. Sehr toll ist Paul Chambers am Bass, der mit Ron Jefferson die neue Rhythmusgruppe bildet. Gildo Mahones ist weiterhin dabei – und steht altersmässig (1929) zwischen den schon fast als Veteranen zu zählenden Co-Leadern (Watkins 1921, Rouse 1924) und dem Youngster am Bass (1935). Jefferson ist mit Jahrgang 1926 näher an den Leadern dran. Watkins war jedenfalls schon 32, als er im August 1954 seine erste 10″-Platte für Blue Note machte. Von ihm stammen hier auch alle Arrangements. Das Hin und her zwischen Jazz und Third Stream finde ich nicht so eine gute Idee. In „Blue Modes“ klingt die Band dann für einmal wie eine aktuelle Hard Bop-Combo, mit viel Punch und einem entsprechend relaxten Beat – im Gegensatz zum Opener „Town and Country“, der zwar jazzig daherkommt aber auch etwas corny wirkt – zum Titel passend kann man da auch mal an Polka denken. Danach wieder Harfe und Ballade, „You Are Too Beautiful“, von Watkins sehr berührend interpretiert, danach eine Art Harfen-Solo mit aktivem Kommentar vom Bass, bevor Watkins wieder einsteigt … das ist schon super. Rouse kriegt gegen Ende ein paar Takte – das Stück gehört Watkins und der weiss, was er tut. Und er weiss hier auch die Harfe hervorragend einzusetzen. Auf „So Far“ kriegt Rouse dann viel Platz. Uptempo, wieder ein Groove, den ich näher am Hard als am Be Bop höre, auch Mahones wirkt hier anders als auf dem ersten halben Album, frischer irgendwie. Nach Watkins-Solo folgt wieder das Ensemble: was zunächst wie ein durchaus zeitgemässer Shout Chorus anmutet, wird wieder zur Studie in Kontrapunktik. Das ist schon stark von den Arrangements her gedacht, aber unterm Strich schon ziemlich gut. Die zweite Hälfte wird dann von Watkins‘ „Jazz Garden Suite“ eingenommen – Gesang, Wechsel von Ornamenten und Pentatonik-Intermezzi mit straight swingenden 4/4-Passagen. Die ganze Suite ist vielleicht eine Art Ostküstenversion von etwas, was an der West Coast um den Dreh herum nicht besonders auffällig gewesen wäre. Unterm Strich ist mir das vielleicht eine Spur zu … cute? Aber es ist halt schon überzeugend gemacht und die Solisten haben Gewicht, gerade Rouse hört man die vielen Jahr Spielpraxis an, und Mahones braucht sich neben wem wie Claude Williamson oder Russ Freeman keinesfalls zu verstecken. Die Ostküstenversion des Westküstenjazz hat also irgendwie mehr Dichte, mehr Wucht. Dass Gilbert im dritten Teil der Suite Worte zu singen kriegt, ist eher kontraproduktiv: ihre vibratoreiche Sopranstimme sticht so noch viel mehr als Fremdkörper heraus – wird aber durch das zupackende und doch irgendwie bescheiden auftretende Sax von Rouse sofort wieder auf den Boden geholt. Seine sprechende Phrasierung ist schon hier unverwechselbar – er klingt schon sehr ähnlich wie später bei Monk.
Auf der CD gibt es noch einen Bonustrack, „Stallion“, eine mittelschnelle Mahones-Komposition von derselben Session – und dass das alles an einem Tag eingespielt wurde, am 12. Juni 1956 um genau zu sein, zeigt schon, dass das eine echte Band war, die ihre Arrangements im Griff hatte. Der Bonustrack erschien auf einer Jazztone/Guilde du Jazz-Platte aus dem Jahr 1960, die Band hiess dort „The Rouse-Watkins Combo“ und von den Sessions zum folgenden zweiten Dawn-Album ist auch ein Stück dabei:
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