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redbeansandrice
die zwei Tage mit meinen Platten am Montag und Dienstag haben gut getan, gestern und heute gibt es Musik im wesentlichen auf den Zugfahrten, die allerdings nicht kurz sind… gestern lief For Basie von Paul Quinichette rauf und runter, heute morgen bin ich zu Cattin‘ gewechselt… so ein bisschen geben diese Platten einem ja ein Gefühl für Albumprojekte, die unter anderen Umständen vielleicht Lester Young gemacht hätte… oder Wardell Gray… das wär beides ziemlich toll gewesen… warum das bei Gray nichts wurde ist ja irgendwie klar, der war tot, bei Young bin ich mir nicht so sicher… lag es an der Gesundheit (physisch oder psychisch)… an den Interessen… am Label… so ein Album wie For Lady von Webster Young zB hätte mit Lester Young toll werden können… oder zB ein Tadd Dameron Album… oder was mit Tommy Flannagan… aber, Habenseite: die Quinichette Alben sind auch toll.
Ich hatte ja vor einer Weile eine „Single-Auskopplung“ aus dem For Basie-Album ergattert, die exakt das gleiche Cover hat wie die LP, bloß kleiner. Selbst die liner notes auf der Rückseite sind die gleichen, nur die Angabe der Titel ist anders. Rock-A-Bye Basie und Diggin‘ For Dex. Gefiel mir auf Anhieb. Zur Anschaffung des gesamten Albums habe ich mich aber nicht durchgerungen.
Tolles minimalistisches Cover übrigens. Nur eine Farbe + schwarz-weiß, ansonsten nur ganz sachliche Typografie und ein paar schwarze Balken. Und allen Ernstes die Bestellnummer fett vorne mit drauf.
Ich hatte früher gar nicht gewusst, dass sich die Grafik vieler 50er/60er Jazzalben an der Ästhetik der (europäischen) Klassischen Moderne der 20er Jahre orientierte, was aber wohl in den 50ern noch oder wieder als sehr mordern galt. Alfred Lion und Francis Wolf von Blue Note hatten da vielleicht etwas Kulturtransfer aus der alten Heimat geleistet und mit Reid Miles in der neuen Heimat einen geistesverwandten Grafiker gefunden. Dies hier ist weder Blue Note noch Reid Miles, aber auch sehr schön.
Viel später hat Peter Saville für Factory Records und eine musikalisch völlig andere Baustelle sich auch ganz gerne mal aus dem grafischen Fundus der 20er/30er Jahre bedient. Habe ich damals aber auch nicht kapiert.
(Die For Basie-Single ist übrigens wegen der Länge der tracks so eng und so nah bis zur Auslaufrille gepresst, dass mein Plattenspieler automatisch kurz vor dem Ende von Diggin‘ … abschaltet. Drehzahl verringert sich, es erklingt noch ein jammerndes absteigendes „Wiiiuuu …“ und Schluss. Kleine Kuriosität aus der Vinylwelt.)
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)