Antwort auf: Vanguard Jazz Showcase (1953–1958)

#12428537  | PERMALINK

gypsy-tail-wind
Moderator
Biomasse

Registriert seit: 25.01.2010

Beiträge: 68,341

Jo Jones Special heisst das exzellente Album, das der Drummer am 11. August 1955 für Vanguard einspielte. Wieder eine interessante Band, dieses Mal mit Freddie Green, Walter Page und Nat Pierce als Basie-Vertreter – doch auf dem in zwei Versionen veröffentlichten „Shoe Shine Boy“, mit dem das Album öffnet und schliesst, ist der Boss höchstselbst dabei. Dazu kommen Emmett Berry, Bennie Green und Lucky Thompson. Die Story dazu erzählte Hammond in seinen Memoiren: er habe Basie von der Session erzählt, und dieser sei tatsächlich aufgetaucht – und natürlich habe man ihn dazu gebeten. Der erste Take von „Shoe Shine Boy“ sei schon gut gewesen (das Ende gerät unsicher, man hört Freddie Green laut lachen, nachdem die Band es doch noch geschafft hat), man machte noch einen zweiten (in dem möglicherwiese bei den kurzen Solo-Passagen ein Fehler passiert, aber das retten die natürlich gekonnt), und am Ende habe Hammond sich nicht entscheiden können und beide seien auf der Platte gelandet. Ob das stimmt, sei dahingestellt, denn gemäss den Diskographien standen die zwei Takes mit Basie am Anfang der Session und Pierce übernahm danach für den Rest.

Dazu gehört ein wunderschönes „Lover Man“ mit einem majestätischen Thompson im Lead – er prägt das Stück, obwohl Berry (mit Dämpfer) und Green danach auch schöne Soli spielen. In der rasanten „Sweet Georgia Brown“-Paraphrase „Georgia Mae“ öffnet Green den Solo-Reigen glänzend, gefolgt von einem ungewöhnlich phrasierenden Thompson und später dem Leader, der in seinem Solo auch mit den Händen spielt. Weil die Platte trotz zwei Takes von „Shoe Shine Boy“ etwas kurz geworden wäre, nutzte Hammond ein paar Tage später die Gelegenheit, als Jimmy Rushing zu spät zu einer seiner Sessions kam: mit Berry, Lawrence Brown, Rudy Powell (cl), Buddy Tate, Pete Johnson, Green und Page nahm man „Caravan“ auf, als Feature für den Leader von „Jo Jones Special“ – und der glänzt hier mit einem ungewöhnlichen Solo, das nicht nur seine rhythmische Meisterschaft zeigt sondern auch, wie gut er mit Klängen und Timbres umzugehen wusste.

Vor dem Ausklang mit dem zweiten „Shoe Shine Boy“ sind noch Jones/Thompsons „Lincoln Heights“ und der Gershwin-Klassiker „Embraceable You“ zu hören. Im ersten ist der Drummer mit Besen zu hören – perfekt synchron mit Greens Rhythmusgitarre. Green, Thompson und Berry steuern charakteristische Soli bei: eine schwebende Posaune, ein tiefer eintauchendes Saxophon und eine verspielte gedämpfte Trompete. Pierce streut etwas Stride in seine Basie-Performance ein. „Embraceable You“ gehört Bennie Green, der das Thema förmlich zu singen scheint. Die anderen Bläser steuern nach einem etwas blumigen aber schönen Pierce-Intermezzo wiederum starke Soli bei. Berry mit Dämpfer, Thompson in romantischer Stimmung – und dann nochmal Greens Posaune zum Ausklang.

--

"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba