Antwort auf: Vanguard Jazz Showcase (1953–1958)

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Knapp drei Jahre später kehrte Buck Clayton in den Masonic Temple zurück. Schon seit 1953 leitete er für Columbia Jam-Sessions im Plattenstudio (da gab es auch mal eine Mosaic-Box), doch diese Session vom 14. März 1957, die unter dem Titel Buckin‘ the Blues erschien, zählt sicherlich zu den besten auf dem Gebiet. Vic Dickenson, Earle Warren, Aaron Bell (in letzter Minute für Walter Page eingesprungen) und Jo Jones sind wieder dabei, dazu kommen Kenny Burrell und Hank Jones. Das mag sich etwas wunderlich lesen, doch die zwei Detroiter passen wunderbar zum Rest der Band. Die Session war der zweite Anlauf zu einer Stereo-Aufnahme nach Jimmy Rushings „Listen to the Blues“ ein paar Tage früher, doch im Gegensatz zum Rushing-Album erschien das Clayton-Album damals in Mono und ist vermutlich in der Mosaic-Box zum ersten Mal in Stereo zu hören. Schon im Opener „Buck Huckles“ ist zu hören, was diese Band alles zu bieten hat: eine superbe Rhythmusgruppe mit einem sehr aktiven, für meine Ohren überragend aufspielenden Drummer (so lebendig klang er ein paar Jahre später mit Mingus und Roy Eldridge usw. wieder), der wieder einmal jedem Solisten was anderes bietet, sich auch zurückzuhalten weiss, wo das angebracht ist – etwa beim Bass-Solo von Bell, der hier wunderbar eingefangen ist. Ein hervorragender Gitarrist, ein ruppig-emotionaler Posaunist, eine elegante Trompete – und einmal mehr einen hervorragenden, bluesigen Altsaxophonisten, von dem man hier in 41 Minuten natürlich nochmal deutlich mehr hört als auf dem 25minütigen Album von Thompson, wo natürlich Coleman Hawkins der Saxophon-Star ist. Burrell glänzt im langsamen Blues „Claytonia“ gleich wieder – im ersten Solo hier, gefolgt von Clayton, der ähnlich elegant unterwegs, während Dickenson und Warren dann ruppigere Töne anschlagen (inklusive Vokalisierungen im Sax), bevor Jones wieder zur Eleganz zurückkehrt. „Cool Too“ ist Basies „Let Me See“ – rasantes Tempo, Drum-Breaks, Hank Jones mit dem ersten Solo, während Jo Jones einen Sturm heraufbeschwört, der in immer neuen Wellen hereinbricht. Clayton, Warren und Dickenson reiten in ihren kurzen Soli auf den Wellen, für Bell beruhigt sich das alles, um hinter Burrells kurzem Beitrag wieder emporzuschwingen und ins Outro zu finden. 2:40 Minuten und schon ist das vorüber – ganz wie zu 78rpm-Zeiten. Mit „Squeeze Me“ geht es dann maximal entspannt weiter. Singende Trompete, darunter growlende Posaune und summendes Saxophon. Wieder ist der Pianist als erstes an der Reihe, gefolgt von Clayton, Warren, Dickenson und Burrell. Dieser hält sich in der Begleitung auffällig zurück, setzt oft ganz aus – da merkt man den Generationenunterschied zu Freddie Green (der bei der Thompson/Hawkins-Session gebucht war, aber nicht auftauchte, wie das Stück „Ready for Freddie“ erzählt) oder seinem Ersatz Steve Jordan, der auf mehreren Vanguard-Sessions zu hören ist.

Nach dem bluesigen Waller-Stück gibt es wieder richtigen Blues: „Good Morning Blues“ heisst die langsame Nummer, mit der die zweite Seite der LP beginnt. Warren raut seinen Ton wieder auf, sein Solo ist zwischen die eleganten Beiträge von Clayton und Burrell gebettet und wird gegen Ende von den riffenden Bläsern getragen. Das langsame Tempo ist ideal für Dickenson, auf den nochmal Clayton folgt, jetzt mit Dämpfer und liegenden Tönen der anderen Bläser. Ein klasse Klavier-Solo leitet ins Outro über, ein Riff mit Piano-Fills dazwischen. Mit „Ballin‘ the Jack“ folgt eine Dixieland-Nummer mit dem klassischen Drei-Bläser-Dialog zum Auftakt – aber natürlich entspannter und mit zurückhaltender agierender Posaune und v.a. Altsax (statt Klarinette) als das bei einer Retro-Band zu hören ist. Nachdem Jones schon ein Intro gespielt hat, kriegt der Pianist hier auch gleich das erste Solo – mit Solo-Break in der Mitte. Danach ist Warren dran, Jo Jones schaltet ein paar Gänge hoch, wo er für Dickenson gleich bleibt. Dessen Intonation ist nicht nur hier manchmal sehr an der Grenze – aber faszinierenderweise klingt das am Ende immer gut, er nimmt sich Freiheiten auf eine Weise, dass es gut klingt, kriegt die Kurve jedes Mal wieder. Burrell und Clayton folgen, und dann rompen die das alles zusammen zu Ende. „Blues Blasé“ ist dann wieder eleganter Clayton über karge Rhythmusgruppe – und das Stück gehört ganz allen dem Trompeter, der über mehrere Chorusse ein tolles Solo aufbaut. Irgendwann stösst noch die riffende Gitarre dazu, Jones setzt akzentuierte Schläge, das ganze swingt auch im langsamen Tempo hart. Und swingen tut der Closer, ein Riff-Tune von Clayton namens „The Queen’s Express“. Burrell kriegt das erste Solo, gefolgt von Warren, Clayton, Dickenson und Hank Jones (Jo Jones setzt hinter ihm mit Besen neu an), bevor Bell und Jo Jones sich kurz unterhalten und das ganze Ensemble nochmal zu einem kurzen Abschluss zusammenfindet, bevor Bell das Stück in einen Fade-Out walkt.

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