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vorgarten
james carter, live at baker’s keyboard lounge (2001)
rampensaudämmerung in detroit, james carter entfesselt das biest und das publikum fällt ihm zu füßen. die gäste, die er eingeladen hat, sind z.t. aus der gegend, aber david murray ist halt auch dabei, und der scheut natürlich solche aufgaben ungern. der freedom jazz dance wird zum battleground, publikumswirksam im straighten groove, murray spielt ein solo, das alles zeigt, was er diesbezüglich zu bieten hat, ein solo to end all solos. carter reagiert super schlau, ändert erst mal die parameter und nimmt sich dann alle zeit der welt – sein solo bleibt aber unfassbar oberflächlich, ohne bezug zur quelle, den murray immer behält, lauter gimmicks und das chefprivileg der unendlichen ausdehnung, denn eigentlich geht ihm nach 2 minuten die luft (nein, die nicht) bzw. die ideen aus. zum schluss alle nochmal zu „foot pattin’“, und da zeigt johnny griffin am ende, wie man das macht, wenn man es schon sehr lange gemacht hat. und zirkularatmung kann er auch.
Das ist die einzige CD von James Carter, die ich schon sehr lange habe – ein Zufallsfund, v.a. wegen der Mitwirkung von Johnny Griffin gekauft, aber auch aus Neugierde auf James Carters Orgeltrio (Gerard Gibbs/Leonard King) – mit der Gruppe wurde ich allerdings nie warm. Erst viel später habe ich dann auch gemerkt, wer der (leider mässig inspiriert aufspielende) Pianist ist, der auf manchen Stücken zu hören ist: Kenn(y) Cox vom Contemporary Jazz Quintet.
Das mit dem warm werden ist heute wieder ähnlich – selbst Murrays Solo im „Freedom Jazz Dance“ zieht einigermassen an mir vorbei (viel Respekt, keine Liebe – es lässt mich irgendwie ziemlich kalt). Carter war ja immer schon ein Chamäleon und Alleskönner (sehr schön sein Einstieg im Opener am Sopransax), ein Maverick, der hier die halbe Jazzgeschichte (nicht zuletzt Roland Kirk) abruft, aber oft an der Oberfläche bleibt. Irgendwie knüpft diese Album für meine Ohren auch ein wenig am KC-Swing-Update vom „Kansas City“-Soundtrack an: ebullience, Spielfreude, Witz, schlaue Tricks noch und noch – eine Leistungsschau, eine Jam-Session, mal geladen, dann freundschaftlich entspannt, und durchaus auch mal mit ganz hübschen Bläsersätzen („Low Flame“). Ich kann mir gut vorstellen, dass das live wirklich Spass gemacht hat.
Die gewählten Tunes sind ziemlich hip: Wer gräbt schon ein Stück von George Duvivier aus? „Foot Pattin'“ bietet sich hier allerdings an, denn es diente einst als Blowing-Vehikel für Eddie „Lockjaw“ Davis, Coleman Hawkins, Arnett Cobb und Buddy Tate. Hier spielen der Reihe nach Murray, Jackson, Griffin und Carter die Soli – auch der Leader wechselt zurück zum Tenor, nachdem er auf den zwei Stücken davor am Barisax zu hören war. Leonard Feather hat sein Stück ja vielleicht nicht selbst geschrieben, dem traue ich da nie über den Weg … Don Byas, Jimmy Forrest, Oscar Pettiford, Gary McFarland, und als zweiten grossen Klassiker neben Eddie Harris‘ „Freedom Jazz Dance“ noch „I Can’t Get Started“, in dem neben Carter am Sopran der andere Veteran hier zu hören ist: Franz Jackson am Tenorsax (toll – und eh mein heimlicher Favorit auf dem Album) und Gesang, dazu gibt es hier gleich Orgel und Klavier. Ziemlich toll auf dem ganzen Album finde ich Ralphe Armstrong am Bass – und das, obwohl ich sonst bei der Präsenz einer Orgel eigentlich gar keinen Kontrabass brauche. Er findet hier immer Wege, prägnant zu sein und doch nie aufdringlich zu werden. In der Ballade von Gary McFarland (wo ich Gibbs für einmal ziemlich gut finde) zum Beispiel mit einem simplen Riff. Am Ende braucht es den Veteranen Johnny Griffin mit dem erwähnten Kabinettstück, um das alles nochmal einzuordnen.
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