Antwort auf: David Murray

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gypsy-tail-wind
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murray, burrell, windward passages (1993)

eine von zwei duoaufnahmen der beiden in diesem jahr (BROTHER TO BROTHER kenne ich nicht), das programm ist eklektizistisch, geht vom „sorrow song“ über 2 versionen von „naima“ (eine davon 14 minuten lang) in ein cabaret-intermezzo, in dem burrells frau und gelegentliche ko-komponistin monica larsson einen klischee-l’amour-á-paris-text aufsagt, gefolgt von jelly roll morton, gegen ende trägt es burrell und murray in einer hommage an ihre beiden musikalischen mütter aus der form. es gibt klare highlights hier, in denen sie ganz eigene stimmungen erzeugen oder sich ungehemmt dem rasenden irrsinn hingeben, nicht selten fliegt das aber auch auf und auseinander. spannend zu hören, manchmal tut es aber auch weh.

Die letzte Runde im Duo mit Dave Burrell (8. Dezember 1993) – und die fliegt tatsächlich ein wenig auseinander. Aber dann ist da an zweiter Stelle das unglaublich tolle „It Hurts So Much to See“ von Burrell/Larsson – also mit Text wohl, aber der wird nicht gesungen, denn singen tut hier David Murray an der Bassklarinette, und das hat wieder diese unendlich schöne Gospel-Stimmung, wie sie auf „Brother to Brother“ auch anzutreffen ist. „Conversations with Our Mothers“ ist vielleicht der würdige Abschluss der Zusammenarbeit (es gibt keine weitere dokumentierte Begegnung, oder?): eine wunderschöne Ballade, in der beide völlig ausbrechen, das überdreht völlig, geht ins Surreale, findet aber den Weg zurück wieder, verliert sich dahin auch nie ganz … und danach „Naima“ (Nr. 2, die noch längere Version) ist schon perfekt platziert. Die Cabaret-Einlage, ein paar vielleicht zu irre Soli von Burrell („Naima“ Nr. 1), Jelly Roll Morton als Tango, Novelty in „Zanzibar Blue“ (Murray ist hier allerdings klasse und in seinem Solo fliegt das dann auf gute Art auseinander und doch nicht) – dieser sehr bunte Strauss und überhaupt einmal mehr zu viel Musik führen aber dazu, dass das Album nicht so gut gelingt wie die Vorgänger.

Und da vielleicht ein kleiner Exkurs, warum ich bei der Marathon-Idee in Sachen Black Saint/Soul Note bisher nicht wirklich angesprungen bin: viele der Alben wirken auf mich einfach nicht so gut produziert, und das wird beim Murray-Hören halt gerade wieder deutlich. Die liessen wohl oft einfach machen, und so manches wirkt auf mich eher wie ein Dokument, das halt im Studio und nicht im Club entstanden ist. Samuel Charters, der die Duo-Alben auf Gazell produzierte („Daybreak“ und „Brother to Brother“) hat nicht das grosse eigene Label aus dem Boden gestampft, aber er war – zumindest für das Duo hier – wohl doch der bessere Produzent. Bob Thiele verliert ja auch haushoch gegen Kazunori Sugiyama von DIW … schon interessant, dass das so deutlich wird. Das hat aber wiederum auch damit zu tun, dass Murray parallel für unterschiedliche Label aufnahm und man da halt so viele direkte Vergleichsmöglichkeiten hat, wie davor höchstens mal in den späten Fünfzigern (Leute, die als Leader oder Co-Leader auf Prestige, Savoy, Blue Note, Riverside usw. zugleich aufnahmen gab’s ja ein paar: Kenny Burrell, Johnny Griffin, Yusef Lateef, Curtis Fuller oder Art Farmer kommen mir sofort in den Sinn). Bottom line: ein paar Sachen weglassen (die Cabaret-Nummer, einen Take von „Naima“) und alles in eine schlüssigere Reihenfolge packen, und das wäre ein umwerfendes Album geworden. So, wie es ist, ist es gut. Das ist ja auch was.

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