Antwort auf: David Murray

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gypsy-tail-wind
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jazzosaurus rex & saxmen (1993)

letzter auftritt auf red baron, SAXMEN bekam die vorletzte nummer, mit john lewis‘ KANSAS CITY BREAKS war es dann vorbei mit bob thieles label. auch bei diesen aufnahmen, am 18. und 19. august 1993 aufgenommen, verstehe ich wieder einiges nicht: JAZZOSAURUS klingt mal wieder furchtbar (sofern man nicht die höhen herausdrehen kann), SAXMEN merkwürdigerweise wesentlich besser; thiele und osser haben mal wieder etwas komponiert, was ganz simple blues-themen sind (wo lag da die ambition?); und, ja, JURRASIC PARK kam im aufnahmemonat raus und setzte offenbar ein thema (der zweite thiele-song heißt „dinosaur park blues“), das genau was mit murray zu tun haben soll? egal – oder auch nicht, man kann murray, hicks, drummond und cyrille beinahe alles hinwerfen und sie machen gute musik daraus, aber diskografische höhepunkt passierten dann eher bei DIW, wo einfach anders produziert wurde.
trotzdem: es gibt tolle momente. für das dinosaurier-album hat murray ein sehr einfaches latin/swing-vehikel geschrieben, das eine große hitze erzeugt („mingus in the pokonos“, gemeint ist der sohn und sein damaliges ferienlager); cyrille spielt durchweg sehr agil und spannend; und ganz großartig ist ein unbegleitetes hicks-solo über „central park west“. ganz sicher kein höhepunkt dagegen eine kurze hommage an miles davis, geschrieben und rhythmisch vorgetragen von george hines, ein paar plattitüden und ein paar blues-licks, gut, dass miles das nicht mehr gehört hat.

p.s. danke für den service der referenzversionen, @.gypsy-tail-wind. kann man für SAXMEN natürlich auch machen, aber murray macht auch hier eh wieder sein eigenes ding. (getz mit orchester mochte ich sehr.)

Ich mühe mich seit dem Aufsetzen des gestrigen Schmorgerichts mit Jazzosaurus Rex ab … da finde ich den Sound nun ebenfalls richtig nervig, aber mangels CD höre ich auf der Bluetooth-Box und da kann ich wirklich nichts regulieren. Der Track für den Sohn im Sommercamp („Mingus in the Poconos“) ist sicher ein Highlight, aber insgesamt ist das für meine Ohren die meiste Zeit – Andrew Cyrille ausgenommen, der wohl gar nicht anders als maximal eigenwillig kann – ein routiniertes Date von ein paar Profis, die sowas nun wirklich im Halbschlaf können. Solides Handwerk, wirklich gut gemacht. Hicks changiert hier für meine Ohren zwischen purer Routine und wirklich starken Momenten (auch das Solo im Mingus-Track). In den Liner Notes (der Scan mit dem grossen Line-Up ist falsch drin, der gehört zu „Lion-Hearted„) erwähnt Nat Hentoff hier Eddie „Lockjaw“ Davis als Referenz und schreibt überhaupt, wie ihn die Stimmung des Albums an früher erinnere … und ja, das ist wohl der Punkt dieser Produktion. Und ich denke auch hier unwillkürlich wieder an Bennie Wallace … interessant, dass Murray durchaus auch einen Südstaaten-Swamp-Groove könnte (ich stelle mir gerade eine Session von Dr. John und The Meters mit Murray als Gast vor). Schön finde ich auch die „Ballad for David“ von Ray Drummond, der überhaupt wie immer überzeugend aufspielt.

Für Saxmen muss ich dann wieder auf eine YT-Playliste zurückgreifen. Im Opener finde ich es einigermassen erstaunlich, dass Murray zeitenweise wirklich Lester Young (inkl. der Honks, die die Westcoast-Vorgänger, die um sein Geburtsjahr herum aktiv waren, weggelassen haben) zu channeln scheint, bevor er dann wieder in seinen typischen Murray-Stomp mit den ganzen vokalen Inflektionen und überblasenen Tönen fällt. Die Rhythmusgruppe klingt da auch gleich tighter, mehr auf den Punkt – obwohl Cyrille natürlich wieder völlig abseits aller Klischees unterwegs ist. „St. Thomas“ klingt nach der Big Band-Version etwas müde, dafür zeigt Murray dann in „Bright Mississippi“ wieder, wie gekonnt er mit Monks Stücken umzugehen weiss. „Central Park West“, am Ende der zwei Alben (die an zwei Tagen, am 18. („Jazzosaurus Rex“) und 19. („Saxmen“) August 1993 eingespielt wurden, ist auf jeden Fall nochmal ein Highlight. Das ist sowieso ein Stück, das ich total gerne mag (hätte eigentlich auch mal wer einen Text dazu schreiben können) und das unbegleitete Klaviersolo ist wirklich bezaubernd.

Eigentlich ist das alles ja schon reichlich seltsam: dass Bob Thiele mit seiner ganzen Erfahrung kein richtig gutes Album mit David Murray produzieren konnte … und dass es trotzdem so viele Alben gibt.

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