Antwort auf: David Murray

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gypsy-tail-wind
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David Murray Big Band – South of the Border | Drei Tage im Studio im Mai 1992 – und die Big Band ist on fire!

Ich docke dann mal wieder an – bin jetzt zurück an dem Punkt, an dem ich war (hab aber grad noch eine 1991er entdeckt, zu der ich gleich komme – siehe unten). Das ist wirklich super – und natürlich schrieb @vorgarten schon dazu, u.a. diese Zeilen:

vorgarten
[…] und vom ersten ton an sitzen die arrangement messerscharf, so, als wollten sie es allen kritikern zeigen (die ja doch wussten, dass man die murray-big-band 1992 besser nicht verpasst). die glasklare funky rhythm section aus sonelius smith, fred hopkins und tani tabbal bildet den grundstock, dazu kommt die effektvolle percussion von larry macdonald – der rest ist einfach super in spiellaune, und die arrangements werden zwischen murray, wayne francis, sonelius smith, butch morris und craig harris aufgeteilt, die auch die kompositionen beisteuern (bis auf „st. thomas“, das arragement übernimmt francis). ich weiß gar nicht, worüber ich hier nicht schwärmen soll – die energie ist da, die arrangement sind wirklich fantastisch, jedes solo gut (james spaulding!), und jedes stück bringt neue facetten. wenig personelle veränderungen seit der letzten aufnahme (bob stewart fehlt, die gäste auch, sonst ist mir nichts aufgefallen), zwei einzelfeatures gibt es: murray über morris‘ „fling“ (lieblingskomposition), und graham haynes schwingt sich über smiths „world of children“ auf. ich könnte jetzt wieder in den dissens mit gypsy über don byron gehen (saubere intonation ist ja nicht alles), aber das lasse ich mal lieber. dass ich jetzt auch noch fan der big band werde, wundert mich selbst.

Das kann ich unterschreiben – ganz besonders was James Spaulding angeht, der hier echt eine Freude zu hören ist! Im Opener kriegt er gleich das erste Solo und setzt eine Marke, an der sich danach Frank Lacy und Don Byron messen (und letzteren finde ich hier wirklich toll!), bevor der Leader dran ist (im Duett mit Patience Higgins, auch am Tenorsax). Im zweiten Stück ist Vincent Chancey der erste Solist – auch er super. Wir kriegen auch die Trompeter zu Ohren (James Zoller im Duett mit dem Posaunisten Al Patterson, Rasul Siddik, Graham Haynes (Kornett, um Genau zu sein – und neben dem Leader kriegt er das einzige grosse Feature, wie vorgarten schon erwähnte) und Hugh Ragin im schliessenden „Flowers for Albert“. Higgins kriegt noch ein Solo, sonst sind Byron und Spaulding neben Murray die Sax-Solisten, aus der Posaunensection kriegt natürlich auch Craig Harris einen Spot (Lacy deren zwei). Im Satz auch noch dabei sind Kahlil Henry (fl) und John Purcell (as) – und die Rhythmusgruppe, aus der nicht mal Sonelius Smith hier ein Solo kriegt. Aber das macht nichts, denn die sind wirklich äusserst präsent und tatsächlich glasklar – egal ob in Latin-Romps wie dem tollen „St. Thomas“-Groove zum Einstieg, im schnelleren Tempo oder auch im langsamen „Awakening Ancestors“ von Harris mit Spaulding an der Flöte, die fast wie aus dem Jenseits herüberklingt, und später wieder Don Byron … eine mysteriöse Stimmung, ein langsamer Rumba, der Bass zwischen Orgelpunkt und Riff … das ist hypnotisierend! In der Mitte wird mit „Cale Estrella“ ein brasilianischer Gegenpart zu „St. Thomas“ geboten, nicht ganz so fröhlich aber ebenso mitreissend – und wieder mit Spaulding als erstem Solisten – Frank Lacy scheint später auch was aus „Orpheo negro“ oder sonst einem Klassiker zu zitieren? Murray, der Leader, fügt sich hier mit seinen Soli ziemlich organisch ein, ohne dass er sich zurückzuhalten braucht – auch das sagt etwas über die schiere Power dieser Band aus. Sein grosses Feature über Morris‘ „Fling“ ist dann aber schon ein grosses Highlight hier. Es folgt direkt auf Haynes‘ Feature, das ebenfalls toll ist – auch was das Material von Sonelius Smith angeht. Mit der abschliessenden Version von „Flowers for Albert“ schliesst sich der Bogen: fröhliche Stimmung, eine Reihe starker Soli über einen packenden Groove. Das ist ein wunderbares ALbum, sehr klar, irgendwie auch etwas gar aufgeräumt (das liegt wohl v.a. am Sound), aber voller musikalicher Höherpunkte.

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