Antwort auf: David Murray

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vorgarten

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redbeansandrice

David Murray and Balogh Kálmán featuring Kovács Ferenc – Gipsy Cimbalon Band (2004)

Was schenkt man dem, der schon alles hat? Anfang der 2000er Jahre musste David Murray der Tatsache ins Auge blicken, dass er eigentlich jedes Album, das man von ihm hätte erwarten können, bereits dutzendfach eingespielt hatte, dazu eine lange Liste an weniger erwartbaren Alben… aber noch keins mit einer ungarischen Zigeunerband… Diese Lücke versucht er mit „Gipsy Cimbalon Band“ zu schliessen. Oder so. Die Idee ist jedenfalls gar nicht so abwegig, wie sie erstmal scheint, Trauermärsche, monotone Grooves mit „Spanish Tinge“ liegen Murray schliesslich, und die traditionelle Rhythmusgruppe mit Schlagzeug und Klavier fehlt einem erst, wenn man drauf achtet… die Band ist um das „Cimbalon“ die ungarische Zither aufgebaut, mit der man Drones spielen kann, Rhythmen, aber bei Bedarf tatsächlich auch sowas wie ein Klavier emulieren kann – ein ziemlich cooles Instrument, wenn man mich fragt… daneben besteht die Band aus zwei Geigern, einem Gitarristen und einem Bassisten… Wirklich clever war es, den Trompeter Kovács Ferenc als zweiten Stargast und Jazzsolist zu bemühen… der Name wird im Verkauf nicht viel gezogen haben… Aber Kovács ist jemand, der sich sowohl im Klezmer und in der Gipsymusik auskennt als auch im Jazz – immerhin war er ab den 70ern ein vielbeschäftigter Trompeter in der osteuropäischen Dixieland-Szene. So kann er vermitteln und hat ein Gefühl dafür wie die verschiedenen Erwartungen zusammengehen können und wie die Rolle eines Jazzsolisten in so einer Band aussehen kann. Dazu gibt seine Präsenz Murray jemanden, an dem er sich abarbeiten kann, und den er übertreffen muss…
Was wirklich interessant ist, ist, wie niedrig der Jazzanteil auf dem Album in irgendeiner Weise ist, gerade weil man bewusst auf die übliche Jazzrhythmusgruppe verzichtet hat… die Musik ist auch eine Spur elegischer als man vielleicht erwarten könnte. Die Grundidee, dass ungarische Gipsymusik irgendwo zwischen Klezmer und Django Reinhardt angesiedelt ist, ist erstmal nicht falsch – aber hier wird nur sehr vereinzelt zum Tanz aufgspielt, viele Momente sind eher ruhig. Wer mich wirklich beeindruckt ist Ferenc Kovács, der das in irgendeiner Weise alles zusammenhält und sich überhaupt nicht schlecht macht neben Murray und natürlich viel mehr kann als Dixieland… das ist so eine Platte, die auch zwischen den mediterranen Alben auf Enja nicht gross aufgefallen wäre, nicht unfassbar super, aber sicher besser als erwartet.

hier kann ich mal an vorarbeit anknüpfen und stimme sowohl der beschreibung, als auch der einordnung zu 100% zu. und kein wunder, dass kovács redbeans so gut gefällt, ich dachte merhfach, dass hier charles tolliver unter ungarischem pseudonym spielt… das hört sich alles viel besser an als man vorher vielleicht dachte, aber es ist jetzt auch nicht das album, nach dem man schon jahrelang gesucht hat… die sounds sind mir merkwürdig vertraut, weil ich als kind mehrfach auf der österreichischen seite des neusiedler sees urlaub machen musste, wo bands in dieser besetzung (ohne tenorsax und trompete) in jedem lokal zu hören waren – und die dazugehörige landschaft aus salzseen und steppe erscheint da sofort wieder vor dem inneren auge. murrays weltmusik-ansatz braucht solche bilder wohl nicht, er findet überall auch so rein und fügt sich hinzu. was mich am ende aber doch etwas stört, ist, dass sich die stücke nie entwickeln, wenn sie einmal die stimmung gesetzt haben.

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