Antwort auf: Ich höre gerade … Blues!

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zoji

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Wenn mich Watkins verschwinden genervt hat, macht mich Wellingtons einfach traurig. Aufmerksam wurde ich auf sie durch das Album My Life With Carey Bell von Louisiana Red. Das fand ich beim ersten Hören ein wenig enttäuschend, es war mir jedenfalls damals ein wenig zu laid back und hatte nicht die Intensität der ein oder zwei Red-Alben die ich bereits kannte. Das änderte sich dann Mitte der B-Seite, als Wellington als Gast eine Bo-Weevil-Version (in welcher Schreibweise auch immer) mit einem langgezogenen Heeeeyyyyyeeeaaay Bo Weevil einleitete, bei dem sich mir vermutlich nicht nur sinnbildlich alle Härchen aufstelltenIn musikalischen Momenten, die mich extrem faszinieren und die ich erstmals höre, habe ich die Angewohnheit, meinen Blick fasziniert auf die Speaker zu richten. Das ist total bescheuert, keine Ahnung, was ich da zu sehen erwarte. Jedenfalls hat sich in all den Jahrzehnten dort nie Erkenntnis bildlich manifestiert. Aber sicherlich war das so ein Moment und hat die relativ unbekannte Wellington binnen Sekunden für mich zu DER Stimme des Blues gemacht.

Wellington ist der seltene, wenn nicht einzigartige Fall, dass eine Bluessängerin eine klassische Gesangsausbildung genossen hat, und zwar so richtig klassisch. Keine Ahnung, wieso es dann nicht an die Oper ging. Vielleicht war sie dafür eben doch nicht gut genug, vielleicht war der weiße Klassik-Zirkus zu rassistisch, vielleicht hat sie einfach aus Neigung das Fach gewechselt, auf jeden Fall war es mein Gewinn.

Das Schmuse-Soul-Cover mit dem Soft-Porno-Blick führt im übrigen in die Irre. Begleitet wird sie von dem gewohnt rabauzigen Magic Slim und seinen Teardrops und einigen Gästen wie Sunnyland Slim oder Billy Branch. Die Höchstwertung wird dadurch verhindert, dass es bei Rooster erschien. Ich mag das Label sehr, viele tolle Alben, aber für meinen Geschmack meist etwas zu dünn produziert. Habe mich immer gefragt, wie es wohl beispielsweise bei Alligator oder etwas später bei Blind Pig geklungen hätte. Trotzdem ein starkes Album. Der Nachfolger, Life In The Big City, ließ ein paar Jahre auf sich warten und ich kenne bis heute nur ein oder zwei Nummern von Samplern. Und das war’s dann; in ihren frühen 30ern wurde sie von irgendeiner miesen Krankheit dahingerafft. Mich hat bis heute, gut 40 Jahre später, keine andere Blues-Stimme so elektrisiert und gefangen genommen.

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Und lieg´ich dereinst auf der Bahre, dann denkt an meine Guitahre, und gebt sie mir mit in mein Grab (Der rührselige Cowboy, D. Duck)