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motoerwolf
Hast du den Film auch gesehen? Falls ja, wie ist deine Meinung dazu?
Ich habe den Film mit großem Vergnügen auf der Berlinale gesehen. Was du schreibst, trifft es gut. Klar, die unwirkliche Szenerie, die sprechenden Namen, der schon zur Begrüßung/Einführung hemmungslos „waltzende“ Dan Stevens – alles sofort too much in seiner Künstlichkeit. Diese Überzeichnung zu Beginn erinnert einen direkt daran, dass man hier im Kino ist und hat zumindest mich davon abgehalten, der Geschichte allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken – oder zumindest davon, dort zu viel Logik zu erwarten. Man kann den Film glaube ich auch einfach als vergnügliches Spiel mit den Konventionen des Horror- und Thrillergenres sehen. Er wirkt so, als hätten alle Beteiligten daran großen Spaß gehabt. Neben mir saß allerdings ein amerikanischer Kritiker, der sich furchtbar darüber aufregte, dass der Film sich nicht zwischen Ernst und Parodie, zwischen stilvoller Ausstattung und billiger Pulp-Ästhetik entscheiden könne. Er wünschte sich ein echtes B-Movie. Ich wiederum fand es wie du gut, dass Singer sich dem verweigert hat. Schließlich geht es ja auch auf mehreren Ebenen darum: Wie umgehen mit etwas, das nicht der Norm entspricht und darum für manche bedrohlich ist oder wirkt? Die Besetzung der Gretchen mit Hunter Schafer kommt deshalb wohl nicht von ungefähr. Ich fand es stark, wie der Film Konzepte von Freiheit und Zugehörigkeit abseits konventioneller Konstrukte von Familie, Geschlecht, ja sogar Spezies verhandelt. Die Szene, in der Gretchen den Anrufbeantworter mit der Nachricht ihrer Stiefschwester abhört, ist auch in diesem Sinne eine Schlüsselszene. Solidarität gibt es am Ende nur unter den Nonkonformen. Und sie sind zum Kampf gezwungen – die Befreiung führt nur über den gewaltsamen Ausbruch aus der feindseligen Umgebung. Da ist sich Cuckoo bis in die Schlussszene mit Love Lies Bleeding einig, den ich ebenfalls auf der Berlinale sah (man konstruiert ja immer solche Querverbindungen auf einem Festival). Cuckoo ist darum in meinen Augen nicht nur ein feministischer, sondern auch ein implizit queerer Film. Und damit doch absolut zeitgeistig.
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