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Love Lies Bleeding (Rose Glass, 2024)
Irgendwo im amerikanischen Nirgendwo, in einem tristen Kaff in New Mexico lebt Lou (Kristen Stewart), bekennende Lesbe und Managerin eines Fitness-Studios, das direkt aus der Hölle kommen könnte. Die verstopften und widerwärtigen Toiletten sind dabei noch das harmloseste, viel schlimmer sind die überall hängenden Plakate mit den schlimmsten Motivationssprüchen der Welt. No Pain- No Gain. Pain is just weakness leaving the body. Und am schlimmsten sind die Kunden. Homophobe Rednecks, die aussehen, als hätten sie die Klamottenläden der gerade zusammenbrechenden DDR geplündert. Lous Freundin ist eine anhängliche, unsichere und nervtötende Person, und nur weil sie die wahrscheinliche einzige andere Lesbe im Umkreis ist, ist Lou überhaupt mit ihr zusammen. Doch dann erscheint Jackie (Katy M. O’Brian) auf der Bildfläche. Ein Körper wie aus Stein gemeißelt, den Kopf voller Träume von einem Sieg bei einem Bodybuilding-Contest und auf der Flucht vor ihrer Vergangenheit. Die zwei stürzen sich Hals über Kopf in eine wilde Romanze, und eigentlich könnte ab jetzt alles gut werden, die zwei könnten ausbrechen, dem Sonnenuntergang und dem Glück entgegen. Doch Lou kann nicht weg, sie hat eine Schwester, deren Mann ein gewalttätiges, tumbes Arschloch vor dem Herrn ist. Für diese Schwester fühlt Lou sich verantwortlich. Als ihr Mann sie wieder einmal verprügelt, setzt das eine Eskaltionsspirale der Gewalt in Gang, die eines Horrorfilmes würdig wäre.
Rose Glass zeigt hier ein schmutziges Amerika, in dem jede Hoffnung gleich wieder zerschlagen wird, in dem man schon ein Übermensch sein muss, um wenigstens eine kleine Chance auf ein Entkommen zu haben. Und wo ein Entkommen keineswegs garantiert, dass alles besser wird. Das verpackt sie in einem wilden Genremix, der mal Satire ist, dann ein Thriller, ein (Body-) Horrorfilm, ein Familien- und ein Beziehungsdrama mit einer ordentlichen Portion Sex und ganz am Ende irgendwie auch ein Superheldenfilm. Der feministisch ist, aber Frauen keineswegs überhöht. Lou und Jackie sind keineswegs strahlende Heldinnen, teils ist es gar nicht leicht, sie zu mögen. Der Feminismus des Films ensteht eher aus der Weigerung, diese Frauen auf ihre Rollenklischees zu reduzieren (während die Männer durchaus klassische Stereotype sind, allerdings keine positiven). Neben der Geschichte fasziniert die Darstellung mindestens genauso sehr. Starke Bilder, erzeugt durch gelungene Kamermafahrten genauso wie durch Detailaufnahmen, die auf den Punkt sind. Fantastische Darsteller, auch abseits der beiden Hauptrollen.
In keinem anderen Film in diesem Jahr habe ich ein Publikum erlebt, das so mitgegangen ist, das so stark auf einen Film regiert hat (außer im zweiten Joker, aber da waren es fünf Idioten, die die ganze Zeit über glaubten, witziger zu sein als der Joker und dabei nur bewiesen, die Reife eines pubertierenden Affen zu haben). Für mich auf jeden Fall eines der Highlights des Jahres.
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And all the pigeons adore me and peck at my feet Oh the fame, the fame, the fame