Antwort auf: Umfrage – Die 20 besten Tracks von Joni Mitchell

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friedrich

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Beiträge: 4,968

@stormy-mondayOhne durchdrungen zu haben, was Joni da wirklich meint und vielleicht völlig falsch: Der Besitzer der chemischen Reinigung (so übersetze ich das, also nicht Trockenreiniger) geht also auf den Strip und stellt sich an eine Wurfbude in dem Casino, die gibt es da manchmal. Und wirft auf die Pooh- Bären und Löwen in bunten Farben. Er ist ein guter Werfer und zumindest hier verliert er nicht. Eigentlich verliert er nie, wie Joni, als stete Verliererin, beobachtet. Joni setzt da ein Ausrufungszeichen. Bei den Cowgirls wird es doppeldeutig. Zum einen könnten das, subtil angedeutet, „Bauerntrampel“ sein, die ihre grossen Boobies zur Schau stellen. Könnten. Oder es sind verkleidete Angestellte, die tatsächlich mit Ballons rumlaufen, um die eventuell an die armen Loser zu verschenken/ zu verkaufen. Oder es ist eine ganz andere Metapher.
Ich weiss es nicht.
Vielleicht weiss Joni, wie man mit Glück und Pech umgeht. Vielleicht.
This is a story that’s a drag to tell
(In some ways)

Wow! In some ways. Clevere Relativierung. Dieser Bob hat das auch ein paar Jahre früher gern gemacht.
I’m only sighing.

Was man durch dieses Forum nicht alles lernen kann! ;-) „Trockenreinigung“ und „Chemische Reinigung“ sind im Deutschen synonym. „Chemische Reinigung“ ist offenbar der gängigere Begriff.

Es geht wohl darum, mit „The Dry Cleaner From Des Moines“ eine Person zu beschreiben, die eigentlich total bieder (eben trocken und sauber) ist und aus der abgelegenen Provinz stammt, aber in der Glitzerstadt Las Vegas unverschämtes Glück hat. „Like Midas in a polyester suit“. Und da ist auch der sich mehr oder weniger zufällig ergebende Zusammenhang mit Mingus’ Gemurmel: „Everything I touched turned to gold.“

Im Deutschen würde man vielleicht sagen, „der Betreiber einer chemischen Reinigung aus Paderborn“ – aber das klingt nicht so gut.

Der Circus Circus ist wohl eine Mischung aus Casino, Zirkus und Rummelplatz. „In the journalistic novel Fear and Loathing in Las Vegas, author Hunter S. Thompson wrote, „The Circus-Circus is what the whole hep world would be doing Saturday night if the Nazis had won the war. This is the sixth Reich. The ground floor is full of gambling tables, like all the other casinos . . . but the place is about four stories high, in the style of a circus tent, and all manner of strange County-Fair/Polish Carnival madness is going on up in this space.“ (Wikipedia)

Ich stelle mir vor, dort verteilen als Cowgirls verkleidete Animateurinnen Luftballons an die Kinder und unser Freund aus der chemischen Reinigung gewinnt beim Dosenwerfen lauter Plüschtiere, die er dann mit nach Des Moines/Iowa schleppt. Was sagt uns das? Die dümmsten Bauern hab die dicksten Kartoffeln! ;-) Während Joni Mitchell sich in ständiger Selbstreflexion (der Ärger mit den Männern, das ständig-auf-Achse-sein, das Musikbusiness, die Ernüchterungen des Alterns, und das alles auch noch als Frau!) das Hirn und die Seele zermartert …

Bei Joni Mitchell fiel mir auf, wie bildlich sie Situationen manchmal beschreibt. Das läuft vor meinem geistigen Auge wie ein Film mit Kamerafahrten und Schnitten ab.

„A helicopter lands on the Pan Am roof
Like a dragonfly on a tomb
And businessmen in button downs
Press into conference rooms“

(Harry’s House)

Beim Dry Cleaner sehe ich die Rollen des Spielautomaten auf drei Orangen, drei Kirschen, drei Pflaumen springen, „Ping, Ping, Ping!“, unten purzeln klimpernd die Dollarmünzen raus während Joni Mitchell ihren letzten Cent in das Gerät daneben wirft und verzweifelt. Unser Freund aus Des Moines trägt das Geld in Plastiktüten aus dem Casino und im Circus Circus sehen wir ihn am Ende noch grinsend mit riesigen Plüschtieren in rosa und baby-blau im Arm.

Joni Mitchell malt ja auch. Vielleicht kommt die bildhafte Vorstellung von Situationen auch daher.

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)