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Saturday Night Fever (1977)
Wer nur die ikonischen, zugleich zum Klischee geronnenen Bilder von John Travolta im weißen Anzug und gen Himmel zeigenden Finger kennt, dürfte einigermaßen überrascht sein, wenn er den Film sieht. Das ist kein cheesy/campy Tanz- und Musikfilm, bei dem sich Girl und Boy am Ende nach vielen Irrungen und Wirrungen doch noch „kriegen“ (so wie es „Grease“ tatsächlich war), sondern eine erstaunlich schroffe coming of age-Geschichte im um Realismus bemühten New Hollywood-Stil der 70er Jahre, gespickt mit massig üblen slurs und Sexszenen, die ohne jede erotische Anmutung gezeigt werden, als Verrichtungen und sogar Vergewaltigungen. Ich vermute, die deutsche Kinofassung „Nur Samstag Nacht“ dürfte stark „zensiert“ gewesen sein.
Der Film hat ganz klar zwei Stars – zum einen natürlich die Musik, speziell die der Bee Gees, aber vor allem John Travoltas absolut charismatische und vielschichtig-ambivalente Darstellung des Tony Manero zwischen gleißendem Selbstbewusstsein und Bedürfnis nach Anerkennung, Sensibilität, klarer Erkenntnis der eigenen hoffnungslosen Lage und manifester Arschlochigkeit. Als Filmanalysen verweise ich auf diesen Text einer Historikerin und diesen Clip eines Filmenthusiasten. Wenn man den Film gesehen hat, macht dieser Clip auf viele interessante Details aufmerksam, u.a. zum wiederkehrenden Thema Katholizismus.
Besonders erwähnen möchte ich aber ein Video-Essay, das die ambivalente Stellung des Films beim Aufstieg und Fall von Disco als signature sound der zweiten Hälfte der 70er Jahre erläutert. So stark der Film und die Musik auch waren, so wurde damit doch ein Bild der Disco-Kultur gezeichnet, das mit ihren Ursprüngen nichts zu tun hatte. Sie war anfangs ein Underground-Phänomen, illegale Clubs, die marginalisierten Gruppen Freiräume boten, insbesondere queeren Menschen, Latinos, Schwarzen. Als im Sommer 1974 George McCraes „Rock Your Baby“ Platz 1 der Billboard-Charts erreichte, begann die Kommerzialisierung des Phänomens.
Der englische Musikjournalist Nik Cohn schrieb 1976 einen Artikel über die New Yorker Club-Kultur „Tribal Rites of the New Saturday Night“, der frei erfunden war, wie er später zugab. Dass ein englischer Musikproduzent – Robert Stigwood – auf der Basis dieses journalistischen Fakes einen Film-Blockbuster schuf, dessen Musik ebenfalls von Engländern beigesteuert wurde und in der ein junger Mann aus New Jersey mit italienisch-irischen Wurzeln als Hauptfigur einen straighten, weißen Macho als lokaler Startänzer porträtierte und damit das Bild von „Disco“ für alle Zeiten prägte – das war schon ein starkes Stück. Schwarze kommen im Film so gut wie gar nicht vor und die Italo-Gang sieht die Latinos (Puertoricaner) als Feinde. Immerhin erkennt Tony Manero an, dass seine Hauptkonkurrenten auf dem Dancefloor, ein puertoricanisches Paar, die besseren Tänzer sind, und es verletzt ihn, dass er trotzdem die Preise erhält, weil er die Hauptattraktion des Clubs ist. Die Bee Gees steuerten fünf neue Songs zum Soundtrack bei, die allesamt riesige Hits wurden – zumindest einen davon überließen sie der schwarzen Disco-Gruppe The Tavares.
Die Analyse ist differenziert und wertschätzend, es geht Deschanel nicht darum, den Film zu „canceln“:
Broey Deschanel – Saturday Night Fever and the Death of Disco
Zum Schluss aber noch Musik:
„Stayin‘ Alive“ mit der legendären Opening Scene des Films
„Night Fever“ mit Filmszenen
„If I Can’t Have You“ – Yvonne Elliman
„More Than A Woman“ – The Tavares
„How Deep Is Your Love“ hatten wir ja schon, hier daher eine Cover-Version:
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