Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

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Lucerne Festival: Sommer-Festival 2024 – Neugierde, orphisch
(Teil 1)

Nach dem, was mir eineinhalb Monate vor Beginn des Festivals widerfahren ist, war es umso schöner, dass ich alle geplanten Besuche ohne nennenswerte Probleme machen konnte. Zweimal bin ich hin und am selben Tag wieder nach Hause, zweimal eine Nacht geblieben, einmal zwei Nächte – das ist von der Distanz her zwar nicht nötig, aber wesentlich weniger stressig, zumal ich auch Konzerte um 11 Uhr und einmal eins um 21:30 besucht habe), was unter den Umständen (also: meinem Zustand) erst recht angenehmer war. Geplant hatte ich das alles vor dem Vorverkaufsstart im März. Und es war toll, quasi mein Leben wieder zu haben. Abgesehen davon, dass mein Schwerpunkt auf der Neuen Musik lag (von Schönberg bis zu Werken junger Komponist*innen aus dem jährlichen „Composer Seminar“) und ich eine Menge Entdeckungen machte (nicht zuletzt von den beiden diesjährigen „composers in residence“, Beat Furrer und Lisa Streich), hörte ich im Gegensatz zum Vorjahr auch das Festivalorchester ein paar Male, zudem an reisenden Orchestern das Rotterdam Philharmonic Orchestra, das Orchestre de Paris, die Münchner Philharmoniker sowie die auf hohem Niveau enttäuschenden Wiener Philharmoniker. Kammermusik gab es mit dem einen diesjährigen Artist „artiste étoile“, Sheku Kanneh-Mason, Mitgliedern des Festivalorchesters (LFO) und des Lucerne Festival Contemporary Orchestra (LFCO). Klavierrezitale hörte ich von Anna Vinnitskaya und Isata Kanneh-Mason. Für Glanzlichter mit Orchester sorgten die andere „artiste étoile“, Lisa Batiashvili, aber auch Beatrice Rana, Renaud Capuçon, Simon Höfele und Jörgen van Rijen. Am Pult standen Ruth Reinhardt, Yannick Nézet-Séguin, Lavah Shani, Klaus Mäkelä, Christian Thielemann, Beat Furrer und George Benjamin. Neue Musik gab’s zudem mit dem Ensemble Helix/Studio für zeitgenössische Musik der Hochschule Luzern, dem Klangforum Wien sowie diversen Teilnehmenden der Lucerne Festival Academy (inkl. welchen, die 2025 dabei sein werden), des Composer Seminar und des Contemporary Conducting Programme. Weil Wolfgang Rihm in der Vorbereitungszeit verstorben ist, sind sein Sidekick Dieter Ammann sowie die bereits letztes Jahr anwesende und aushelfende Unsuk Chin eingesprungen.

„Neugierde“ lautete das Festivalmotto – warum dann Bruckner und Mahler zu Hauptkomponisten wurden (und manche erst 2022 und 2023 schon zu hörenden Werke wieder im Programm standen), habe ich nicht verstanden, aber das spielt auch keine Rolle, denn ich liess mich wirklich von der Neugierde leiten und das war eine sehr gute Idee und habe sehr vieles entdecken können. Nachdem die Ausgabe letztes Jahr in der Hinsicht etwas weniger gelungen war, knüpfte 2024 für meine Ohren an die Ausgabe von 2022 an, die unter dem von konservativer Warte gescholtenen Motto „Diversity“ lief.

Verpasst habe ich u.a. fast alle grossen Bruckner- und alle Mahler-Symphonien, die Gastspiele der Berliner Philharmoniker, die Auftritte des Festivalorchester mit einem Leiter Riccardo Chailly, den zweiten Teil von Kent Naganos „Ring“ mit dem Concerto Köln (scheint phänomenal gewesen zu sein) und noch vieles mehr. Dass ich Francesco Piemontesi (beim Konzert des Luzerner Sinfonieorchesters) nicht hören konnte, hätte ich verschmerzen können – dass er beim Saisonauftakt des Kammerorchester Basel, das auf einen Vortag eines Luzern-Besuches fiel, für die erkrankte Hélène Grimaud einsprang, ebenso … doch von vorne.

Es war viel und ich will mich kurz fassen (ha ha).

18.8., 11:00 – Lucerne Festival Orchestra 3
Solist*innen des Lucerne Festival Orchestra

u.a. Johannes Berger (Orgel), Reinhold Friedrich (Trompete), Jörgen van Rijen (Posaune), Lucas Macias Navarro (Oboe), Korbinian Altenberger (Violine), Béatrice Muthelet (Viola), Thomas Ruge (Violoncello)

Enjott Schneider (*1950): Hoketus aus Jubilus für zwei Trompeten, zwei Posaunen, Pauke und Orgel
Julien-François Zbinden (1917–2021): Dialogue für Piccolotrompete und Orgel op. 50
Alfred Schnittke (1934–1998): Schall und Hall für Posaune und Orgel
James MacMillan (*1959): A New Song, arrangiert für zwei Trompeten, zwei Posaunen und Orgel von Jörgen van Rijen
Johann Sebastian Bach (1685–1750): Ricercar a 6 aus dem Musikalischen Opfer BWV 1079, arragiert für Trompete, Posaune und Orgel
Wolfgang Amadé Mozart (1756–1791): Oboenquartett F-Dur KV 370 (368b)
Louis Vierne (1870–1937): Marche Triomphale pour le centenaire de Napoléon 1er op. 46 für drei Trompeten, drei Posaunen, drei Pauken und Orgel

18.8., 15:30: Lucerne Festival Academy 1
Solist*innen des Lucerne Festival Contemporary Orchestra (LFCO)

Raimonda Žiūkaitė (Stimme), Johnna Wu (Violine), Jack Adler-McKean (Tuba), Edward Kass (Kontrabass), Helga Karen (Klavier), Aya Masui (Schlagzeug), João Carlos Pacheco (Schlagzeug), Noah Rosen (Schlagzeug)

Im Gedenken an Wolfgang Rihm: Begrüssung durch Intendant Michael Haefliger, Worte von Unsuk Chin, Dieter Ammann und Helga Karen, Ausschnitt aus „Inheriting the Future of Music: Pierre Boulez und die Lucerne Festival Academy“ (Günter Attlen/Angelika Stiehler, DE 2010)

Wolfgang Rihm (*1952): Stück für drei Schlagzeuger
Pierre Boulez (1925–2016): une page d’éphéméride für Klavier
Lisa Streich (*1985): Safran für motorisiertes Klavier und Violine
Beat Furrer (*1954): kaleidoscopic memories für Kontrabass und Live Elektronik
Raimonda Žiūkaitė (*1991): Neues Werk für Tuba und Stimme

Mein erster Besuch war kurz: Sonntags in die Matinée um 11 und ins Nachmittagskonzert, das der eigentliche Auftakt der Jubiläums-Academy (vor 20 Jahren von Pierre Boulez ins Leben gerufen, ein Labor für zeitgenössische Musik) war, nachdem Lisa Streich und das LFCO schon beim Eröffnungskonzert am 16. präsent gewesen waren (wo hauptsächlicher Chailly mit dem LOF die Siebte von Mahler aufführte). Festlich war das Konzert um 11 Uhr, denn es gab in erster Linie Orgel und Blechbläser, ein bunter Mix aus Virtuosem und Pompösem, ein Bläser tauchte auch mal in einer der geöffneten „Nischen“ neben der Orgel auf (oben im Bild zu sehen, dieser Bereich im Innern des „Schiffsrumpfs“, der der Konzertsaal ist, ist rot ausgekleidet … die „salle blanche“ hätte ja dunkel gestaltet sein sollen, wenn Claudio Abbado, der damalige Chefdirigent, sich nicht kategorisch geweigert hätte … schade, hat man ihm nachgegeben, noch bedauerlicher, hat man bei der neulichen Sanierung nicht umgestrichen!) Ein Gegenpol – klanglich und charakterlich – bot das Oboenquartett von Mozart, das aber auch ein Fremdkörper in diesem recht disparaten Programm blieb. Immerhin hatte man den Ablauf etwas umgestellt und den Pomp von Vierné für den Kaiser (Napoleon, who else?) anstelle von Mozart ans Ende geschoben. Und bei Mozart wurde vielleicht auch zum ersten Mal gesungen – von der Oboe. Das in Begzug auf mein dem Fetivalmotto hinzugefügtes Prädikat.

Nach dem Konzert sass ich im Selbstbedienungscafé unter dem auskragenden Vordach des KKL – bis es heftig zu regnen und zu widen begann und sich alle, die draussen ausharrten, nach hinten verschieben mussten, um nicht durchnässt zu werden. Der Himmel weinte für Wolfgang Rihm. In der Eröffnung der Academy sprachen Intendant Michael Haefliger, Unsuk Chin, Dieter Ammann und Helga Karen über Rihm, von dem auch ein rituelles Schlagzeugtrio zu hören war. Dazu gab es ein Klavierstück von Boulez (von Karen gespielt), erste Begegnungen mit den beiden Composers in Residence und am Ende ein Stück von Raimonda Ziukaite (2022 beim Composer Serminar), dass diese auch gleich selbst (mit-)aufführte. Das Bass-Solo mit Zuspielung von Furrer und das motorisierte Klavier bei Streich (dem ich nochmal begegnen sollte) überzeugten mit nur mässig, Furrers Stück hätte auch aus den Siebzigern sein können, war mein Eindruck, und für Jazz und Avantgarde-Hörer waren die Spieltechniken, die zum Einsatz kamen, eh allesamt total vertraut. Es waren und sind Dieter Ammanns sehr persönliche Worte über Rihm, Kollege, Freund, partner in crime, die berührten und nachhallen (Foto oben).

24.8., 11:00: Lucerne Festival Academy 2
Lucerne Festival Contemporary Orchestra (LFCO)
Ruth Reinhardt
Dirigentin

Arnold Schönberg (1874–1951): Fünf Orchesterstücke op. 16 (Fassung von 1949)
Lisa Streich (*1985): Ishjärta für Orchester (Schweizer Erstaufführung)
Wolfgang Rihm (1952–2024): In-Schrift für Orchester
Pierre Boulez (1925–2016): Rituel in memoriam Bruno Maderna für Orchester in acht Gruppen

Nachdem der erste Konzertbesuch problemlos verlaufen war (mir war nicht klar, ob ich ein oder zwei Stunden am Stück ruhig – und beschwerdefrei – sitzen konnte, zum Glück hatte ich fast immer Randplätze, aber raus musste ich am Ende nie) freute ich mich auf die zwei folgenden Wochenenden, an denen ich jeweils von Samstagmorgen bis Sonntagabend bzw. -nachmittag dort sein würde. Das dritte Konzert war dann ein grosses Highlight: das LFCO unter Ruth Reinhardt (*1988, Saarbrücken, 2018 und 2019 Assistenzdirektorin beim Lucerne Festival, wo ich sie auch schon einmal in Aktion erlebt hatte). Vom Schönberg zum Auftakt war ich wieder einmal total begeistert: Was ist das für irre schöne Musik? Warum füllt sie nicht ständig überall die Konzertsäle? Ich werde das nie verstehen. Danach Orchesterwerke von Streich und Rihm – und Anlass für die eine oder andere seltsame Bemerkung über die Langweiligkeit oder Schrecklichkeit von solchen Frauenwerken. Niemand soll denken, sich für progressiv haltenden Männer seien weniger misogyn als der Rest – ich hab jedenfalls beim Herausgehen ein paar Satzfetzen aufgeschnappt, die in der Hinsicht mal wieder sehr aussagekräftig waren. Selber fand ich beide Stücke ansprechend, aber das Glanzlicht – eins der ganz grossen in all den Konzerten – setzte dann Boulez‘ Stück am Ende. Die Tribüne im kleineren Luzerner Saal war eingefahren, der Raum flach, damit die acht Orchestergruppen rund um das Publikum herum Platz nehmen konnten. Für Reinhardt war in der Mitte ein zweites Podium aufgebaut worden, von dem aus sie die Orchestergruppen „angeknipst“ wurden. fast eine halbe Stunde lang wird minimales Material ständig neu auf- und umgeschichtet, ein hypnotisierender Effekt. Danach wandelte ich leicht benommen durch die tolle Ausstellung von Ugo Rondinone im Kunstmuseum Luzern.

Noch einmal zurück: Im Stück von Streich wurden zum ersten Mal beim Festival die Akkorde hörbar, die sie „angeschimmelt“ nennt: sie sammelt Aufnahmen von Laienchören, die unrein singen, überträgt solche durch mikrotonale Verschiebungen geprägte Akkorde aufs Orchester, wo rein und unrein intonierte Stimmen in stetiger Bewegung aufeinandertreffen. Dazu kommt eine prägende, nicht immer prägnant an der Oberfläche zu hörende, aber in den Tiefen der Musik zu fühlende Rhythmik, die in „Ishjärta“ (uraufgeführt von den Berliner Philharmonikern unter Kirill Petrenko im Juni 2023) bis zu pulsierenden Beats geht. Harsche Kälte trifft auf warme, Streicherakkorde, Ätherisches, Schönes auf Spitzes, Dumpfes. Akkorde werden gebrochen und neu zusammengefügt – dabei kommen beim Schlagwerk auch Dinge wie ein Waschbrett oder ein Eierschneider zum Einsatz.

24.8., 18:30: Lucerne Festival Orchestra 5
Lucerne Festival Orchestra
Yannick Nézet-Séguin
Dirigent
Beatrice Rana Klavier

Clara Schumann (1819–1896): Klavierkonzert Nr. 1 a-Moll op. 7
Anton Bruckner (1824–1896): Sinfonie Nr. 7 E-Dur WAB 107 (Edition von Leopold Nowak)

Das Abendkonzert begann eine Stunde früher als üblich, da es danach noch eines gab – ich vermute aber, dass die Schnittmenge des Publikums recht klein war. Beatrice Rana erwies sich als phantastische Advokatin für das Klavierkonzert von Clara Schumann, das erstmals beim Festival zu hören war – im Gegensatz zur Siebten von Bruckner, die ich letztes Jahr in einer phänomenalen Aufführung durch das Gewandhausorchester unter Herbert Blomstedt gehört hatte. So viel zur „Neugierde“. Der Kontrast war gross: das flirrende, virtuose Klavierkonzert mit seinem solistisch beginnenden Mittelsatz, der in eine Duo mit dem Solo-Cello mündet (ein gewisser Brahms liess sich inspirieren), das Orchester dafür in deutlich kleinerer Besetzung als dann für Bruckner. Ich sass ganz oben und ganz hinten im vierten Balkon – akustisch super, klimatisch nah an einem Saunabesuch … muss ich mir merken (hatte ich von letztem Jahr, als ich einmal dort sass, schon wieder vergessen). Bruckners Siebte ist natürlich jedes Mal ein Erlebnis, ein Ereignis, und die Aufführung gefiel mir auch gut – doch die letzten gehörten Aufführungen (vor Leipzig/Blomstedt schon 2019 Haitink bei einem seiner letzten Auftritte mit den Wiener Philharmonikern) haben sich ganz anders eingebrannt.

24.8., 21:30: Sheku Kanneh-Mason & Plínio Fernandes

Sheku Kanneh-Mason Violoncello
Plínio Fernandes Gitarre

Heitor Villa-Lobos (1887–1959): Aria (Cantilena) aus Bachianas brasileiras Nr. 5
Radamés Gnattali (1906–1988): Sonate für Violoncello und Gitarre
Leo Brouwer (*1939): Sonate für Violoncello und Gitarre The Magic Space
Rafael Marino Arcaro (*1990): Élégie à une mémoire oubliée
Astor Piazzolla (1921–1992): Café 1930 und Nightclub 1960 aus Histoire du Tango

Das späte Konzert – wie viele der heuer gehörten ca. 75 Minuten ohne Pause – fand im Luzerner Theater statt und präsentierte den „artiste étoile“ Sheku Kanneh-Mason im ersten von zwei Duos, mit dem kubanischen Gitarristen Plínio Fernandes. Das war sehr kurzweilig, mein Highlight war die Sonate von Leo Brouwer, von diesem Duo in Auftrag gegeben und 2020 komponiert. In Gnattalis Sonate von 1969 gibt es unter anderem auch jazzige Anklänge. Arcaros Stück ist ebenfalls dem Duo gewidmet. Der Komponist aus Brasilien betrachtet João Gilberto als Vorbild, spürt originärer brasilianischer Musik nach (Suyá, Xavante), verbindet diese Traditionen mit der europäischen Musiktradition vergangener Jahrhunderte – und Kanneh-Mason lässt sein Cello singen, wie er es schon in der öffnenden Aria von Villa-Lobos getan hatte. Das Publikum war begeistert – klatschte leider auch bei den Sonaten stets nach dem ersten Satz … egal, wie sehr die Musiker sich drum bemühten, die Spannung zu halten. Die zwei traten allerdings auch sehr entspannt auf und sagten die Stücke abwechselnd an. Und ohne Zugabe liess man sie nicht gehen (da gab’s nochmal ein bekanntes Stück von Piazzolla).

25.8., 11:00: Lucerne Festival Orchestra 6
Lucerne Festival Orchestra
Gregory Ahss
Violine und Leitung (Frühling, Herbst)
Raphael Christ Violine und Leitung (Sommer, Winter)

Antonio Vivaldi (1678–1741): Die vier Jahreszeiten op. 8

Kurzentschlossen hatte ich – wo ich ja eh in Luzern übernachtete – auch noch eine Karte für die Sonntagsmatinée gekauft, und bin mit gegen Null tendierenden Erwartungen hin. Die Aufführung der Vier Jahreszeiten erwies sich allerdings als schöne Überraschung. das LFO trat natürlich in sehr kleiner Besetzung auf (neben den zwei Konzertmeistern gab es an Streichern nochmal 4-4-3-2-1, dazu ein Cembalo und eine Theorbe) und dass sich die zwei Konzertmeister (Ahss hauptberuflich beim Luzerner Sinfonierochester, Christ bei den Bochumer Symphonikern und dem Kölner Kammerorchester) im Wechsel die Solo-Partie teilten, war eine echt gute Idee. Christ spielte kontrollierter, mit schönerer Tongestaltung, Ahss deutlich lebendiger, bewegter, freier, rauh, manchmal fast ruppig im Klang. Nach dem Konzert führten sie als eine Art Rattenfänger das Publikum nach draussen (unter das erwähnte, weit auskragende Dach) und spielten nochmal ein paar Sätze aus den Jahreszeiten.

25.8., 14:30: Composer Seminar: Abschlusskonzert 1 — LFCO
Lucerne Festival Contemporary Orchestra

Teilnehmer*innen des Contemporary-Conducting Program:
Daniel Huertas, Joséphine Korda, Yannik Mayaud, Raimonda Skabeikatie

Dieter Ammann stellt die Komponist*innen und ihre Werke im Konzert vor.

Werkschau des Composer Seminars für Orchester:
Yixuan Hu (*1998): Icarus für grosses Orchester
Eden Lonsdale (*1996): Tellurian für Orchester
Kenta Onoda (*1996): Bogossitude II für Orchester
Jose Luis Valdivia Arias (*1994): Cyberpunk für grosses Orchester
(Uraufführungen)

Das wäre nun der Einsatz von Wolfgang Rihm gewesen, nehme ich an – in Aktion erlebt habe ich ihn nie, aber schon Werke von ihm in Luzern gehört, und vermutlich das eine oder andere ihm zu verdankende musikalische Erlebnis. Dieter Ammann führte durch das Konzert, in dem die Stücke teils zweimal gespielt wurden, teils in Auszügen auseinander geschichtet und dabei ihre Konstruktionsprinzipien erläutert wurden. Ein phantastisches Format fand ich, zumal das alles dichte Werke waren, die man so oder so mehrfach müsste hören können, um sie einigermassen zu erfassen. Konzipiert war das ganze als eine Art Symphonie in vier Sätzen, mit Lonsdale wahnsinnig schönem Stück als Adagio und dem auf einer ganz einfachen Melodie aus drei Tönen basierenden Stück von Onoda als Scherzo. Die Kommentare von Ammann waren hilfreich, er übte auch da und dort etwas Kritik, und betonte mehrfach, dass auch für solche Musik kein Vorwissen nötig sei, dass die teils vorliegenden „Programme“ der Stücke auch einfach ignoriert werden, die Musik frei von Vorwissen ihre Wirkung entfalten lassen könne – dass das alles auch gar nicht „schwierig“ sei, dass es schliesslich kein Richtig und kein Falsch gebe bei dem, was im Publikum ankommt. Geleitet wurden die vier Stücke von vier Teilnehmer*innen beim diesjährigen Contemporary-Conducting Program – natürlich auch Teil der Academy.

25.8., 18:30: Rotterdam Philharmonic Orchestra
Rotterdam Philharmonic Orchestra
Lahav Shani
Dirigent
Lisa Batiashvili Violine

Felix Mendelssohn (1809–1847): Meeresstille und glückliche Fahrt. Konzertouvertüre op. 27
Ludwig van Beethoven (1770-1827): Violinkonzert D-Dur Op. 61 (Kadenz: Kreisler)
Claude Debussy (1862–1918): La Mer
Maurice Ravel (1875–1937): La Valse. Poème chorégraphique

Das war aber noch nicht alles, ich blieb an diesem ersten Wochenende noch zum Abendkonzert, bei dem Lisa Batiashvili ihren Einstand als „artiste étoile“ gab (beim Festival trat sie erstmals 2018 auf). Angekündigt war Mozarts A-Dur Konzert KV 219 (mit eigenen Kadenzen), doch kurzfristig scheint die Solistin es sich anders überlegt zu haben. Zum Glück, bin ich zu sagen geneigt, auch wenn das Konzert durch die Programmänderung ziemlich lange wurde: die über zehnminütige Mendelssohn-Ouvertüre wäre gewiss nicht dem Beethoven-Konzert vorangestellt worden. Aber egal, das war von vorne bis hinten gut, das Orchester und Lahav Shani, den ich später nochmal hören sollte, überzeugten mich sehr, die Solistin spielte ihren Part phänomenal – und mal die Kreisler-Kadenz im Konzert zu hören, war auch sehr toll.

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