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Runde 4 mit dem Octet heisst New Life und entstand im Oktober 1985 in New York, das Line-Up bringt ein paar Holdovers vom Oktett und der Big Band mit ein paar neuen Leuten zusammen: Baikida Carroll und Hugh Ragin (t), Craig Harris (tb), John Purcell (as, cl), Murray (ts, bcl), Adegoke Steve Colson (p), Wilber Morris (b), Ralph Peterson Jr. (d). Es geht donnernd los, eine stellenweise growlende Trompete spielt das erste Solo in „Train Whistle“, bevor Purcell mit einem Glissando à la „Rhapsody in Blue“ in sein Klarinettensolo einsteigt. Murray macht dann den Sack zu – er ist mit schnellen Schritten unterwegs zum unfassbar souveränen Performer. Im „Morning Song“ bewegt sich das irgendwo zwischen Funk (Peterson bringt am Schlagzeug wuchtige Härte, Morris klingt trocken und so funky wie selten) und Retro, das ist alles sehr flashy und sind auch die Soli. Das bleibt auch in der zweite Hälfte so. Das Titelstück – die inzwischen längst obligatorische 3/4-Nummer – präsentiert eine strahlende Trompete (Ragin, nehme ich an), ein Solo des Leaders an der Bassklarinette und ein kurzes Klaviersolo – das ist fast schon beschaulich. Der Closer dreht nicht viel mehr auf, ist einfach etwas schneller und im 4/4. Purcell am schwer klingenden Altsax öffnet den Solo-Reigen. Nach einem weiteren strahlenden Trompetensolo ist Harris dran, für einmal gradlinig und mit wenigen Effekten und Klangmanipulationen. Auch Murray spielt ein zunächst gradliniges Solo, das erst mit der Zeit ins Falsett ausbricht, den Rahmen etwas sprengt, den aber die riffenden Bläser darunter bekräftigen – immerhin nochmal ein starkes Statement gegen Ende des sonst eher mittelmässigen Albums. Auf dieser zweiten Hälfte des Albums dünkt mich die Distanz zum Retro-Jazz der Neo-Traditionalisten gar nicht mehr so weit. Aber das blieb ja zum Glück nicht die Richtung, die Murray einschlagen sollte.
Flirt mit dem Publikum, Live-Atmosphäre? Total. Das Oktett war zumindest 1982 (mit Carter/Bradford und Pullen im Line-Up), 1983 (mit Roy Campbell) und 1990 (mit Graham Haynes) in Europa, von 1984 ist auch ein Live-Mitschnitt im Umlauf (Montréal, mit Oliver Lake und Donald Smith). Und zumindest 1987 war auch die Big Band mal auf Tour (es gibt einen Mitschnitt vom Jazzfestival Zürich u.a. mit James Spaulding und auch mit Peterson am Schlagzeug). Die Arrangements finde ich hier wieder eher lieblos – ohne die gute, manchmal überbordende Stimmung, würde das nicht allzu viel hermachen.
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