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Ornette Coleman And Charlie Haden – Soapsuds, Soapsuds (1979, VÖ Japan 1978)
So sahen circa 1983 meine Cassetten aus. :)
Man kann sich in etwa vorstellen, was auf „der Tanz“ enthalten war: „Theme From A Symphony Variation One“ von Dancing In Your Head, dann noch „Voice Poetry“, „Fou Amour“ und „European Echoes“ von Body Meta, dazwischen drängten sich fünf Tracks aus Tomorrow Is The Question! Die Reihenfolge ist seltsam, aber dem C60-Format und den Längen der Tracks geschuldet. Und ich nahm anscheinend nur Tracks auf, die mir damals gefielen.
Bei „die Klarheit“ gefiel mir offenbar die gesamte Soapsuds, Soapsuds, aus der ich „Soap Suds Soap Suds“ machte (die japanische Ausgabe mit dem schrecklichen Kerzenfinger-Cover kannte ich damals nicht, dort jedenfalls wurde Soap Suds ebenfalls auseinander geschrieben, dafür wurde der Name aber nicht wiederholt). Und der Rest des Tapes wurde gefüllt mit den übrigen Tracks aus Tomorrow Is The Question!, die nicht mehr auf das „Tanz“-Tape passten. Und um Soapsuds, Soapsuds soll es hier gehen, das Tape läuft und ich fühl mich ganz komisch, dass es schon über 40 Jahre in meiner Nähe liegt.
Soapsuds, Soapsuds zeigt Ornette in einem klaren Setting mit Charlie Haden am Bass. Colemans Ton am Tenorsaxofon ist hier schon fast ‚gewöhnlich‘, nicht so wie sonst, wo er eine Idee neben den Skalen zu spielen scheint (schreibe ich als Laie), als wäre eine andere, interessantere Parallelwelt nur Mikromillimeter entfernt und er uns den Zugang dazu öffnet. Stattdessen hat er Zeit. Haden auch. Es zischen keine zahlreichen unterschiedlichen Geschwindigkeiten, Grooves und Melodien links und rechts und mitten durch das Soundbild. Coleman kann hier seinen melodiösen Ton auch mal in zartere Richtungen ausspielen, ohne befürchten zu müssen, von einer ungeduldigen Bande an Prime Time Mitstreitern gefordert zu werden. Ich mag beides, den Coleman des Tanzes und, wie auf Soapsuds, Soapsuds, den Coleman der Klarheit. Aus den ersten Tönen des Albums – einer kleinen, einmal wiederholten Sentenz – kann man vielleicht noch den Refrain „Mary Hartman, Mary Hartman“ heraushören, ansonsten hat die Coverversion des gleichnamigen Stücks des texanischen Country-Komponisten Whitey Shafer nichts mehr mit der Vorlage gemein (hier die Version von Kitty Wells). Stattdessen wird eine andere besonders schön verkitschte und melancholische Melodie eingepflanzt, die ich zu kennen glaube, aber nicht identifiziert bekomme. Vielleicht ist der zweifache Albumtitel Soapsuds, Soapsuds auch ein Fingerzeig auf den ungewöhnlich doppelnamigen Songtitel „Mary Hartman, Mary Hartman“. Nicht der einzige bemerkenswerte Songtitel von Colemans Landsmann Whitey Shafer („Does Ft. Worth Ever Cross Your Mind“, „All My Ex’s Live in Texas“).
Nach „Mary Hartman, Mary Hartman“ strafft sich das Rückgrat für ein selbstbewusstes „Human Being“, einer Komposition von Mit- und Bassspieler Charlie Haden. Hadens Spiel auf dem Album ist ganz entspannt, auch in den schnelleren Passagen. Und doch voller lyrischer Einfälle. Er spielt ein paar Soli, manchmal mittendrin, manchmal bringt er sie als Schlusspunkt. Die letzten drei Kompositionen sind alle von Coleman. Auch aus ihnen steigen immer wieder Melodien auf, in Unaufgeregtheit geerdet. Im letzten Stück, „Some Day“, bringen Coleman (dieses Mal an der erstaunlich virtuos gespielten Trompete) und Haden auch ohne Worte die Zuversicht ein, dass sich eines Tages zum Guten ändern wird, was jetzt noch im Beschissenen liegt. Vielleicht der einzige zart pathetische Augenblick des Albums. Ornettes Ton weiß halt trotz der Schönheiten, die er auf Soapsuds, Soapsuds einbringt, auch immer um die traurige Gewissheit, dass es ein „eines Tages“ leider immer noch braucht.