Antwort auf: Ich höre gerade … Blues!

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zoji

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Beiträge: 6,693

Moin @mr-blue

Ja, das hast Du richtig verstanden (genreübergeifende Nummer 1 wäre übrigens Led Zeppelin II). Sonderbar, wa? Ausgerechnet ein Album mit Fade Outs, einem Rhythmus-Duo, welches sonst keinerlei nennenswerte Spuren in der Musikgeschichte hinterlassen hat, und das bei Erscheinen bei den Puristen für Naserümpfen sorgte, weil er zur elektrischen gewechselt hatte (ob ihm auch einmal „Judas“ zugerufen wurde?).

„Besser“ als andere ist nicht die Kategorie, in der ich so etwas höre, ich würde ja auch nicht behaupten, dass es das beste Blues-Album aller Zeiten ist. Für mich geht es in solchen Fragen eher um persönlichen Bezug. Zusammen mit einem Spätwerk von Sleepy John Estes erhielt ich I Do Not Play No R&R im Alter von 18 als Leihgabe. Ich war zwar bereits ein wenig vertraut mit z.B. Hooker, Waters und Hopkins, aber das war der purste Stoff, den ich bis dato gehört hatte. Obwohl es noch Jahre dauerte, bis ich es selbst besaß, hat es mich sofort sehr gepackt und sich ins Hirn gegraben. Das Album funktionierte für mich als Türöffner zu den älteren ländlichen Stilen, legte den Grundstein für die Sachen, die ich teils erst viel später kennenlernte, und ist eigentlich die Blaupause für meinen favorisierten Regionalstil, den Hill Country Blues – was ich natürlich ebenfalls erst viel später erfuhr. Möglicherweise empfinden die meisten Menschen das repetitive als ermüdend, auf mich wirkt das so hypnotisierend wie Kaa auf Mogli.

Ich wäre lausig darin, Instrumentalisten an ihrem Ton zu erkennen, McDowell ist einer von ganz wenigen, bei denen ich es mir vielleicht zutrauen würde (Beweis steht aus). Sein Slide-Spiel scheint mir außerordentlich charakteristisch. Gesang wie Gesamtperformance vereint für mich das Beste aus zwei eigentlich divergenten Welten, die tiefwurzelnde Erdung eines Bukka White (oder Big Joe Williams) mit der entrückten Geisterhaftigkeit eines Skip James.

Aus seinem sonstigen Werk sticht I Do Not Play No R&R für mich heraus, weil es eben eine der wenigen, späten elektrischen Aufnahmen ist. Da geht es zwar um Nuancen, aber letztlich gebe ich der elektrischen in diesem Zusammenhang ein bisschen den Vorzug, weil sie rauer, härter und anspringender klingt. Und dann sind da seine erwähnten Mitstreiter, die gar nichts besonderes machen und sich angenehm zurückhaltend geben, nur ein bisschen den Groove stützen, dem ganzen im Verhältnis zu seinen Soloaufnahmen eine etwas andere Textur geben, es etwas straighter und dadurch zu seinem zugänglichstem Album machen. Soweit ich mich erinnere und weiß (bin auch bei ihm nicht vollständig) ist das auch sein einziges Album in einer Art Band-Kontext (gibt natürlich zahlreiche Duo-Aufnahmen von ihm und sogar mit einem Gospelchor).

Muss man alles nicht nachvollziehen und verstehen, und erst recht nicht teilen können, aber in Summe wird es dadurch eben zu meinem favorisierten Bluesalbum.

Im Falle eines Wohnungsbrandes würde ich allerdings gar nicht das letztens gehörte Original-Album als Einzel-CD, sondern zuerst die zur Do-CD erweiterte Version retten, weil noch mehr exklusiver Stoff:

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Und lieg´ich dereinst auf der Bahre, dann denkt an meine Guitahre, und gebt sie mir mit in mein Grab (Der rührselige Cowboy, D. Duck)