Antwort auf: Ornette Coleman

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gypsy-tail-wind
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Body Meta entstand wie der Grossteil von „Dancing in Your Head“ im Barclay Studio in Paris mit demselben Line-Up: Ornette Coleman (as). Bern Nix und Charlie Ellerbee (g), Jamaaladeen Tacuma (elb) und Ronald Shannon Jackson (d). In seiner Liner Notes schreibt Coleman auch: „The Dancing in Your Head release came from the same sessions“ (im LP-Inlay steht allerdings „December 1976“, in der CD-Ausgabe von „Dancing“ 28. Dezember 1975 – komplette Scans der LP inkl. der weiteren abgebildeten Kunstwerke bei Discogs). Und er erläutert den neuen Bandnamen: „The name Prime Time was given because every rehearsal was done in such a will it be or not be manner (because of the difficulty of scheduling everybody for rehearsals). When it did happen, it was Prime Time.“ Neben Jackson stiess auch Denardo Coleman als zweiter Drummer („one rhythm, one ‚tempo‘ time“) dazu – und es ist wichtig, sich nochmal dran zu erinnern: „after finishing college“ – er war auch Mitte der Siebziger noch sehr jung. Gemäss den üblichen Diskographien ist hier nur Jackson zu hören, aber manchmal (in „Home Grown“ etwa) frage ich mich, ob das stimmt? Die meiste Zeit wird nicht mehr gespielt, als ein Drummer es tun kann, aber irgendwie wirkt das auf mich doch auch anderswo, als könnten es gut zwei sein. In den Liner Notes wird Denardo zudem genau gleich wie die anderen erwähnt, vielleicht war das auch ein Fehler beim Setzen der Texte fürs Foldout-Cover der ersten Artists House-Veröffentlichung? Erschienen ist diese erst 1978, die Liner Notes von Coleman sind auf den 10. April 1978 datiert – Dezember 1976 ist also genau so gut möglich wie Dezember 1975 … völlig unklar für mich, ich hab auch keine Möglichkeiten, dazu mehr rauszukriegen (Golia ist an solchen Dingen ja weniger interessiert, meine alte Ausgabe von Bruyninckx schreibt lapidar („1975/76“) für „Body Meta“ und ordnet das ganze Material von „Dancing“ im Januar 1973 ein, was natürlich falsch ist. Wie Coleman auch schreibt, wären auch zwei Bässe und zudem ein Klavier vorgesehen gewesen – aber die zwei Posten konnte er zumindest in dieser Phase nicht besetzen (auf Platte glaub ich auch sonnst nie). Was das Klavier (er schreibt „grand piano“, aber vielleicht wäre man ja doch noch auf ein Rhodes oder sowas als passendere Lösung gekommen?) betrifft bin ich darüber echt nicht unglücklich, denn die Transparenz im Klangbild hätte darunter bestimmt gelitten.

In der Tube findet sich zur weiteren Verwirrung noch ein Stück mit Redman, Haden und Blackwell, das angeblich 1976 in Montreux aufgenommen wurde:

Die Montreux Database, die allerdings mglw. teils kaputt gemacht wurde durch Webseiten-Umbauten (ich hab schon Dinge nicht gefunden, von denen ich weiss, dass es sie gibt), listet nur einen Auftritt von Coleman 2006 (und auf der Heimreise wurde ihm am Flughafen in Mailand das Saxophon gestohlen). Beim obigen Track (dessen korrekter Titel „Street Woman“ ist) stellt sich die Frage, ob das nicht einfach der aus Paris ist (vgl. The Paris Concert, Trio 2 LP – leider keine Zeitangaben bei Discogs – es gibt noch eine Einzel-CD, die ich irgendwo habe und die vermutlich vom selben Konzert stammt … echt blöd, dass es keine vernünftige Diskographie gibt!)

Aber nochmal zu „Body Meta“ – ich finde das gerade total zugängliche Musik, die viel Freude bereitet. Tacumas sehr beweglicher Bass und die ziemlich freien und ungewöhnlich gespielten Drums sind tatsächlich sowas wie gleichberechtigte Akteure, die parallel zu Coleman dauersolieren. Die Rolle der Gitarren kann ich weniger gut greifen (und sie erst recht nicht auseinanderhalten), aber mich dünkt zumindest, dass ich den Ulmer-Einfluss hören kann in der Art, wie halbe Akkorde, Rifffragmente oder Melodiefetzen angespielt werden, wie eine Art Flow entsteht, der sich aus diesen Fragmenten zusammensetzt. Wie gesagt: ich höre das gerade total gerne, finde es sehr attraktiv. Ich habe aber „Body Meta“ allerdings schon lange als mein Highlight aus dem ganzen Prime Time-Schaffen abgelegt. Mal schauen, ob es dabei bleibt, oder sich jetzt unterm Eindruck des Ulmer-Hörens was verschieben wird.

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