Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

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gypsy-tail-wind
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Die Band der Söhne … auf „Youngblood“ ist George Mraz am Bass dabei, dazu drei junge Bläser: Nicholas Payton, Joshua Redman und Javon Jackson (über den Vater von letzterem weiss ich nichts). Das setzt recht nahtlos an den früheren Sachen an, sehr druckvoll und intensiv, die Saxer spielen beide nur Tenor und sich recht leicht auseinanderzuhalten (Redman hat diesen „swag“ im Ton, den ich immer noch superattraktiv finde, Jackson klingt altmodischer, etwas sperriger). Payton kriegt sein Trio-Feature in „Body and Soul“, Redman in „Angel Eyes“ – Jackson kriegt keins, dafür der Leader einen über siebenminütigen Solo-Track und Mraz ein Duo („My Romance). Die zweite Runde kommt ausser Payton und Jackson mit neuer Band und einem Sohn mehr daher: Kent Jordan (fl/picc), Ravi Coltrane (ss/ts), Willie Pickens (p) und Brad Jones (b) sind jetzt dabei. Ein Anderer Sound also mit dem Piano, das im Titelstück an zweiter Stelle auch gleich ein Trio-Feature kriegt. „You’ve Changed“ müsste dann Jackson sein, Coltrane ist in „Truth“ am Sopransax dran, Payton in „East of the Sun“ – das ist der mittlere Block hier. Pickens gefällt mir sehr und Jones ist auch sehr gut. Wusste gar nicht, dass er mit EJ gespielt hatte.

Die nun wirklich letzte Leerstelle von Bennie Wallace entpuppt sich als total schön – 1993 ist die Eklektizismus-Phae vorbei, es gibt eine toll klingende („live to 2-track DAT“) Studio-Session mit Jerry Hahn (g), Bill Huntington (b) und Alvin Queen (d), neben dem Opener auch „The Best Things in Life Are Free“ und „I Concentrate On You“ sowie vier Wallace-Originals.

Zwei sehr unterschiedliche Trips nach Japan dann: Sachi Hayasaka & Stir Up! gehörten auch zur grossen Japan-Sause, die 1994 durch Deutschland zog – doch ihr eigenes Enja-Album entstand schon 1992 und wurde in Tokyo aufgenommen. Ein relativ kompakter Opener, ein hymnischer Closer von Tom Waits für die Band-Intros am Ende, dazwischen vier lange, oft sehr freie Stücke mit einer mir bis auf den prominenten Gast am Klavier, Yosuke Yamashita, unbekannten Band: Sachi (as/ss), Tatsuya Sato (ts), Toshiki Nagata (b), Ken Tsunoda (d), Tomohiro Yahiro (perc). Zum Album des Gitarristen Akio Sasajima hat @vorgarten oben schon ein paar Zeilen geschrieben – passt mehr oder weniger. Henderson ist allerdings schon im Opener so gut drauf, dass ich das sehr gerne anhöre – und Rosnes gefällt mir ganz gut. Den elektrischen Track gegen Ende hätte ich eher nicht gebraucht … er offenbart aber vielleicht auch Potential: was auch möglich gewesen wäre, wenn ein etwas anderes, eigeneres Konzept gewählt worden wäre?


1993 nimmt Marty Ehrlich nochmal im Quartett mit Stan Strickland und Bobby Previte auf – mit einem neuen Mann am Bass, der für eine Weile präsent bleiben würde: Michael Formanek. Es gibt ein Stück von Jaki Byard und eins von Ornette Coleman, dazu sechs Ehrlich-Tunes, zwei davon John Carter gewidmet. Instrumentenverwirrung kann es nicht geben, da Ehrlich sich auf Alt-, Sopransax und Klarinette beschränkt, während Strickland nur die Flöte und vor allem sein Tenorsax dabei hat. Das Byard-Stück ist die „Ode to Charlie Parker“, vom Album „Far Cry“ von Eric Dolphy mit Booker Little, und hier gibt es Flöte und Klarinette im Trio mit dem Bass von Formanek, inklusive Motive aus Littles Trompetensolo in den Arrangements von Ehrlich. Beim nächsten Album dann, 1995, sind Strickland (nur ts – Ehrlich an as/ss/cl/bcl) und Formanek wieder dabei, dazu Michael Cain und Bill Stewart. Ein klassisches Quintett also, und etwas konventioneller wirkt das Album manchmal auf mich schon, auch wenn es weiterhin in viele Richtungen geht, manches durchkomponiert wirkt und weit weg von dem, was man sich so vorstellt, wenn von „Jazz“ die Rede ist. Es gibt je ein Stück von Julius Hemphill, Cain und Jerome Harris, dazu sechs von Ehrlich.

 

Und nochmal Elvin Jones und seine Band, Oktober 1993 inzwischen, die jungen Saxer sind wohl flügge geworden, ihr Ersatz ist Sonny Fortune (ts/fl), auch am Bass ist mit Cecil McBee ein Veteran dabei, während Willie Pickens – auch ein Veteran, aber ein ziemlich vergessener, was angesichts seines Spiels auf diesen zwei Alben nicht leicht zu verstehen ist – nach wie vor am Klavier sitzt. Auch Nicholas Payton ist immer noch dabei, neu dazugekommen als dritter Bläser ist Delfayo Marsalis (tb) – und Kevin Mahogany schaut auch mal noch vorbei (mit Text in „Lush Life“ und in „Bopsy“ mit Scat-Gesang). Das ist im Vergleich zu den Vorgängern vielleicht etwas bunter, abwechslungsreicher und auch … mitreissender? @lotterlotta hat das Album im Enja-Faden ja sehr gelobt vor ein paar Wochen. Für mich sind die drei Alben alle neu (und „When I Was at Aso-Mountain“ auch, das kam halt schneller … auf „In Europe“ warte ich noch).

Letzte Runde für heute – wächst mir ans Herz, bin grad beim zweiten Durchgang am Stück und insgesamt beim fünften oder sechsten. Live aus dem A-Trane, es gibt Mingus („Boogie Stop Shuffle“, „Pussycat Dues“ in der Mitte des Albums ) und Monk („Reflections“ und „Oska-T“ am Ende), davor und dazwischen Stücke von Takase, Schlippenbach, Takashi Kako und den alten Klassiker „Do You Know What It Means to Miss New Orleans“, der direkt vor den zwei Mingus-Stücken zu liegen kommt und mit diesen zusammen für das beste Drittel des Albums sorgt, finde ich. Zum Top-Favoriten wird das vermutlich nicht („Song for Hope“ wäre noch davor dran), aber das ist schon eine Entdeckung.

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #153: Enja Records - Entdeckungen – 11.06., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba