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@karmacoma schickt erstmals „Schall & Wahn“, den Abschluss der „Berlin-Trilogie“, ins Rennen – und zwar gleich mit drei Nominierungen, darunter den Titeltrack als absoluten Favoriten an der Spitze der Liste. Das Album belegte 2010 erstmals in der Bandhistorie Platz 1 der deutschen Albumcharts, was acht Jahre später auch „Die Unendlichkeit“ nochmals gelang, von dem Karmacoma ebenfalls den ersten Track hier genannt hat (ebenfalls den Titeltrack; nur das neueste Werk „Nie wieder Krieg“ geht damit nach wie vor leer aus). Allerdings war so eine Nummer 1 in den 2010er Jahren natürlich längst nicht mehr gleichbedeutend mit größerem Verkaufserfolg. Die meisten physischen Tonträger haben Tocotronic bis heute von „Es ist egal, aber“ abgesetzt, also noch vor dem Umbruch in der Musikindustrie. Doch zurück zu „Schall & Wahn“. Der Titel geht zurück auf den Faulkner-Roman „The Sound and the Fury“, der ihn sich wiederum bei Shakespeare geborgt hat. In „Macbeth“ heißt es über das Leben: „It’s all sound and fury, signifying nothing.“ Tocotronic haben sich vehement geweigert, Deutungen für die Texte auf „Schall & Wahn“ zu liefern. Im Zweifel drifteten sie lieber in die Albernheit ab („Bumms und Bi“).
Jens Balzer: Aus der Kunst der verrätselten Sprache ist auf Schall & Wahn nun endgültig eine Kunst des Singens in Paradoxien geworden. Aus dem behutsamen Entzug von Eindeutigkeiten, der auf dem Weißen Album und auf Pure Vernunft darf niemals siegen vorherrschte, hat sich eine Verschwendung von Thesen, Negationen und sich selbst sogleich wieder in Frage stellenden Synthesen entwickelt, die auf dem Vorgängeralbum Kapitulation sich zwar schon andeutete, aber erst auf Schall & Wahn zur vorläufigen Vollendung geführt wird.
Erste Punkte verleiht Karmacoma auch „Im Zweifel für den Zweifel“, laut Band ein „abstrakter Folksong, in dessen Text es von ‚Z‘-Lauten nur so wimmelt“. Die Hauptrolle des im Berliner Admiralspalast gedrehten Musikvideos zu dem Song spielt Fassbinder-Muse Ingrid Caven, deren „Die großen weißen Vögel“ regelmäßig Tocotronic-Konzerte beschließt. Dirk von Lowtzow wollte dieser Grandezza wohl noch einen draufsetzen und ließ sich im vergangenen Jahr von der Crucchi Gang überreden, den Song noch einmal aufzunehmen – auf Italienisch.
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