Antwort auf: Culture Wars, Kulturelle Aneignung, Identitätspolitik, Wokeism …

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bullschuetz

Registriert seit: 16.12.2008

Beiträge: 2,238

bullitt Natürlich sind die Ausprägungen des Wokeism nicht im luftleeren Raum entstanden, was überhaupt kein Grund dafür ist, die heutigen Auswüchse in Form obskurer selbst ernannter Opfer-Allianzen mit Anspruch auf Deutungshoheit nicht trotzdem zu benennen.

Voll okay, dagegen spricht ja auch nichts. Ich bezweifle halt nur, dass man das Erklärungsmodell wokeness überhaupt braucht, um die aktuellen Geschehnisse zu erklären. Jedenfalls kommt es mir alles andere als erschöpfend vor. Da spielen altlinke Traditionen eine Rolle, migrantisch-muslimische Milieus mischen bei den Demos mit, die mit wokeness gewiss nichts am Hut haben, und und und.

Achtung, an dieser Stelle nochmal ein missionarischer Buchtipp meinerseits

Danke, das werde ich mir besorgen, wenngleich mir Bockwyts Forderung, das Gendern in staatlichen Institutionen zu verbieten, selber recht kulturkämpferisch vorkommt.

Immer wieder wird mit „Aber rechts ist ja schlimmer“ argumentiert

Aber zumindest rechtsaussen ist doch auch echt viel schlimmer.

und damit verharmlost und relativiert. […] Schönreden, wegsehen und verharmlosen bis die Hütte brennt.

Ich verstehe deinen Punkt, aber das erscheint mir doch etwas melodramatisch. Hütten haben die Woken ja wirklich noch nicht angezündet. Wenn was gebrannt hat in den vergangenen 30 Jahren, waren es eher Asylunterkünfte.

Wer das nach den Geschehnissen in Malmö noch tut, tut es spätestens ab jetzt mit vollem Wissen.

Erstmal: Das waren Demos, bei denen Leute Standpunkte vertreten haben, die kritikwürdig sind. Strassenschlachten gab es, soweit ich weiß, nicht. Ansonsten siehe oben: Ich bezweifle, ob wokeness der Generalschlüssel ist, um Malmö zu erklären.

Mich zermürbt obendrein die Schwarzweißzeichnung bei den Geschehnissen vom 7. Oktober und danach – und zwar von zwei Seiten. Die durch keine Vorgeschichte zu rechtfertigende Bestialität des Hamasterrorangriffs steht für mich außer Zweifel. Mich macht es ratlos, dass Leute wie Thunberg das so übel ignorieren. Ich zucke aber auch immer etwas zusammen, wenn der Angriff vom 7. Oktober rhetorisch in die Nähe des Holocausts gerückt wird. Ich weiß schon, du hast das nicht „verglichen“, sondern nur „seit dem Holocaust“ geschrieben.  Nur steht die Vokabel halt trotzdem im Raum und legt durch die Blume nahe, dass angesichts der Exorbitanz des Verbrechens alles andere als bedingungslose Parteinahme für Israel schon an Antisemitismus grenzt. Und dabei ist mir unwohl.

Ich weiß, ich weiß, du kannst mit guten Gründen sagen, so hattest du das nicht geschrieben. Ich thematisiere nur, was ich persönlich da zwischen den Zeilen höre mit meinem vielleicht übersensiblen, vielleicht verzerrenden Gehör. Mich quält ganz grundsätzlich der Eindruck, dass in dieser Debatte derzeit manchmal ein Gefühl für die historische Tragik und Ausweglosigkeit verloren geht,  unter der Israelis wie Palästinenser leiden und zu der auch beide bisweilen schuldhaft beigetragen haben. Die einen rufen: Ihr verschweigt und verharmlost damit den 7. Oktober! Die anderen rufen: Ihr ignoriert das Leid der Palästinenser, die 35.000 Toten in Gaza seit dem 7. Oktober, die nationalistisch-aggressive Siedlungspolitik, die in der Westbank im Wahrnehmungsschatten des Gazakriegs weitergeht! Jeder zeigt mit dem Finger auf den anderen und weist ihn auf seine blinden Flecken hin, und damit ist aus meiner Sicht die westliche Debatte über diesen Endloskonflikt ein Spiegelbild der so traurig verfahrenen Situation in Israel und Palästina. Wie soll eine friedvolle Lösung so je gelingen, wie Versöhnung? Die ist doch ganz sicher nur möglich, wenn alle auch den Schmerz, die Wut, die enttäuschten Hoffnungen der anderen an sich heranlassen! Ich verzweifle echt fast daran.

Oh je, mit wokeness hat das jetzt endgültig nichts mehr zu tun. Sorry.

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