Antwort auf: Culture Wars, Kulturelle Aneignung, Identitätspolitik, Wokeism …

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latho
No pretty face

Registriert seit: 04.05.2003

Beiträge: 37,245

herr-rossi
Ich halte diesen beliebten Vergleich mit der Kulturrevolution weiterhin für völlig überzogen und letztlich am Thema vorbei, denn es framet „Cancel Culture“ als spezifisch links, und das ist schlicht und einfach ein rechter Mythos, der davon ablenkt, dass man sich dort genau der gleichen Mechanismen bedient und dass es solche Konfliktverläufe auch abseits des rechts-links-Schemas gibt. Es ist ein Phänomen der Social Media-Ära und wird dadurch befeuert, dass Interaktion das wichtigste Gut für die entsprechenden Plattformen ist, und nichts triggert Interaktion so sehr wie kollektive Aufregung und Empörung. Das sieht man ja sogar in unserem beschaulichen Forum in einem schwarzen Loch am äußersten Ende der virtuellen Milchstraße …

Über rechte Mechanismen wollte ich mich gar nicht auslassen, die funktionieren für mich anders, schneller, wesentlich vernichtender und simpler, weil man sich da auf rechte Opfergruppen eingeschossen hat – manchmal buchstäblich. Und vor allem: gesteuert über Einzelne, nicht über dieses langsam Anwachsene, der „aware“ werdenden Follower.
Wie ich geschrieben hatte: das erinnert mich an die Kulturrevolution, vor allem wegen der Unnachgiebigkeit und der Unfähigkeit Schwarz-Weiß zu sehen – da ist es doch egal, dass die Rechten das so oder so ähnlich machen. Wo ich dir recht gebe: Social Media, vor allem Twitter, haben dieses Freund-Feind-, Schwarz-Weiß-Denken, dieses ganging up und die völlige Unfähigkeit zum Abwägen befördert. Moralische Rigorisität gab’s immer auf der Linken, aber früher war sie nicht so allumfassend. Das digitale Ich ist leichter zu erfassen.

Apropos: Greta Thunberg ist also nun umstandslos zur Antisemitin erklärt worden, aber wenn beispielsweise J. K. Rowling als „transphob“ bezeichnet wird, dann ist das irrationale woke Cancel Culture, die die Meinungsfreiheit und die Freiheit als solche bedroht und zudem die bürgerliche Existenz einer hilflosen Milliardärin mit millionenfacher Followerschaft zu vernichten sucht … Dabei sind die Muster, mit denen die Einordnung in beiden Fällen begründet bzw. von den Protagonistinnen bestritten werden, auffallend ähnlich.

Ich zumindest hätte Thunberg (von der ich nicht wirklich viel halte) nicht als Antisemitin tituliert, sondern als jemand, der bei antisemitischen Demos mitgelaufen und entsprechende Slogans verbreitet hat. Bei JK Rowling finde ich es nochmal komplizierter. Und ich hatte es schon mal gesagt: die Ausrede „die hat Geld, die kann das ab“, finde ich absolut daneben.

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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.