Antwort auf: Grand Prix Eurovision / Eurovision Song Contest

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nail75

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Beiträge: 44,885

klauskMit der schwächste Titel vorne.

 

Finde ich nicht. Ich halte die Performance sogar für eine der besten, die ich jemals beim ESC gesehen habe – und zwar aus diesen Gründen.

1. Leidenschaft: Ich finde das Lied gut, aber das Besondere ist die Performance, denn Nemo füllt das Lied offensichtlich mit Bedeutung. Er vermittelt den Eindruck, dass er nicht nur ein Lied singt, sondern seine persönliche Geschichte auf die Bühne bringt. Dadurch wirkt er nahbar und durch die Nahbarkeit gewinnt er die Herzen der Zuschauer – und zwar von Jury und Publikum. Und er schafft es, das ohne offensichtlichen gesanglichen Fehler durchzuziehen.

2. Das Lied: Gar kein schlechtes Lied, musikalisch nicht aufregend, aber effektiv. Der Refrain ist bei 25 Sekunden erreicht und er ist eingängig. Inhaltlich sofort nachvollziehbar: „Ich musste viel leiden, um hier zu sein, aber ich habe es geschafft und bin dort, wo ich sein will“, damit können sich viele Menschen identifizieren, aber vor allem ist das natürlich eine gute Ansprache an die gay community. Der kurze Rap funktioniert auch überraschend gut. Besonders gut gefällt mir aber, dass das Lied eine durchaus komplexe Struktur hat, mit Richtungs- und Tempoänderungen, die dem Sänger doch einiges abverlangen.

3. Die Scheibe: Die Idee stammt offensichtlich aus dem Musikvideo von Harry Styles „As It Was“, aber doch mit einem eigenständigen Konzept, nicht nur als bloßes Prop oder als reiner Gag, sondern mit Überlegung, etwa beim „schweren Aufstieg“ ab 00:15 und dann nochmal am Schluss beim Tanz in Rücklage, als er die Scheibe sozusagen gemeistert hat. Sehr stark gemacht und gut umgesetzt (ein falscher Tritt und du bist das Gespött von ganz Europa).

4. Risikobereitschaft/Publikumsansprache: Schon die Scheibe ist ein Risiko und das ist nicht das einzige Wagnis: Die Performance ist offensichtlich sehr anstrengend, weil sie viel unterschiedliche Bewegung und sehr unterschiedlichen Gesang/Rap verlangt – vergleicht das mal mit Norwegen. Das Falsett ist auch ein Hinhörer: „Oh hier traut sich jemand was“. Nemo ist auch wirklich angestrengt, aber es gelingt ihm daraus eine Tugend zu machen, als er bei 2:00 mit einem Lächeln signalisiert: „Ich bin echt fertig, aber ich gebe hier ALLES!“. Und hört mal, wie er pumpt, als das Lied vorbei ist.

5. Know Your Audience: Offensichtlich wird der ESC sehr viel von schwulen Männern oder allgemeiner von nicht-binären Personen verfolgt: Es schadet sicher nicht, diese Gruppe abzuholen und das gelingt ihm mit dem Inhalt des Lieds, aber auch mit dem Outfit.

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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.