Antwort auf: Cecil Taylor

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lysol

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Da ich die letzten Wochen mal wieder viel Cecil Taylor gehört habe möchte ich hier einige Höreindrücke wiedergeben, die eher übersehenen Alben und Favoriten der 70er und 80er . Das Frühwerk hat ja Gypsy hier schon wunderbar besprochen. Ich finde es von 1956-1960 etwas zahm im Vergleich zu fast allem was danach geschah, die Begleitung bleibt sehr konventionell.
Beim Debüt „Jazz Advance“ passt Steve Lacy gar nicht, bei „Looking Ahead“ lockert die Vibraharp die Aufnahmen etwas auf. Der Höhepunkt der frühen Phase ist schon „The World Of Cecil Taylor“ mit Archie Shepp. Allerdings wird auch hier keine neue Stufe erreicht, dies gelingt erst 1962 zusammen mit Sunny Murray und seinem Dauerpartner Jimmy Lyons.

Olu Iwa (1986)
Hier hat es mir das Septett-Stück „B Ee Ba Nganga Ban‘ A Eee!“ besonders angetan. Wie hier langsam und behutsam die Motive aufgebaut werden, dazu die bei Taylor selten? nie? gehörte Marimba , mit ihrem weichen Sound eine wunderbare Abfederung der Taylorschen Kaskaden. Auch schön die Trombone. Und nach 25 Minuten steigen dann Peter Brötzmann und Frank Wright richtig ein und es gibt kein Halten mehr.

It Is In The Brewing Luminous (1980)
Guter Konzertmitschnitt aus New York, aber kein absolutes Highlight. Interessant, dass Taylor hier nochmal mit Sunny Murray zusammenspielt (als einer von zwei Schlagzeugern). Natürlich gelingt es ihm nicht noch einmal C.T,‘s Musik auf eine neue Stufe zu hieven.

The Great Paris Concert (1966)
Natürlich eher ein Klassiker, aber kein gut klingender (oder gibt es hiervon eine gute Ausgabe?). Ein perfekt besetztes Quartett mit Cyrille, Silva und Lyons. Die Überraschung ist „Amplitude“ , eine geradezu vorsichtige Soundexkursion, man denkt es spielt das Art Ensemble Of Chicago.

Cecil Taylor Unit (1978)
Diese Unit nimmt eine besondere Stellung ein. Direkt vier Alben wurden mit ihr veröffentlicht (die Black Forest- Aufnahmen kenne ich nicht), und zum ersten Mal seit „Conquistador!“ war Taylor wieder im Studio. Generell wird das Stuttgart- Konzert oft favorisiert, auch hier im Forum. Das Konzert das C.T. aus Protest im Unterhemd bestritt, da die Veranstalter ihn nicht an das Bösendorfer-Piano lassen wollten.Tatsächlich wird durch verschiedene Duetts und Solos ohne Taylor eine gewisse Spannung aufgebaut, die die Aufnahmen meiner Meinung nach nicht immer über die zweieinhalb Stunden halten können ( anders als beim „Legendary Live Return Concert“(1973) oder dem „Great Concert“(1969)).
Zwei Dinge stören mich zum Teil an dieser Unit. Zum einen die Violine von Ramsey Ameen, die des öfteren auf verlorenem Posten scheint. Zum anderen das sehr rockige Schlagzeug von Ronald Shannon Jackson, das nicht immer zu Taylors Spiel passt. Am besten fügt sich für mich alles in der zweiten Hälfte von „3 Phasis“ zusammen. Motivgeprägt, bluesgetränkte Motive, sehr powerful.

Cecil Taylor in Berlin ’88
Der heilige Gral? Soviel grandioses oder zumindest interessantes passierte in diesem Monat. Ausflüge ins Kammermusikalische (The Hearth) oder Avantgardistische (Pleistozaen mit Wasser). Und es passierte ein Meisterwerk des Free Jazz: „Alms/Tiergarten(Spree)“ mit großem Ensemble. Diesen Mount Everest möchte ich nicht jede Woche besteigen, aber wenn ich es tue, dann immer mit absolutem Hochgefühl ( ähnlich wie bei „Ascension“ oder „Free Jazz“, und ja in diese Kategorie muss man es stecken).
Als etwas leichter goutierbare Vorarbeit kann man sich das 1984 entstandene „Winged Serpent (Sliding Quadrants)“ des Orchestras of two Continents anhören. Auch sehr gut.
Im Mittelpunkt des Monats standen aber Duette mit verschiedenen Schlagzeugern. Eine Konstellation die wie ich finde sehr zu Taylors Stil passt (ja es braucht auch keinen Bass, obwohl ein stabiler, kämpferischer wie von Parker nochmal bereichernd wirken kann).
Und vorher gab es da gar nicht viel gelungenes. 1979 mit Max Roach hat es nicht ganz gepasst. Beim „Great Concert“ gibt es tolle Passagen zwischen Taylor & Cyrille, bevor Rivers & Lyons einbrechen.
Zum Schluss mein kleines Ranking der Duo-Aufnahmen:

1.Taylor & Oxley: der kongeniale Partner für die nächsten 20 Jahre, im Duo und im Feel Trio.

2.Taylor & Moholo: Afrikanische Rhythmen umtanzen Taylors Spiel, unterstützen oft fast im Hintergrund und gehen eine Symbiose ein.

3.Taylor & Lovens: Lovens subtil, lässt sich nicht locken und zu Ausbrüchen verleiten. Es scheint Taylor geht eher ein Stück auf ihn zu.

4.Taylor & Bennink: Bennink ist Bennink.Taylor ist Taylor. Kräftemessen. Schlagabtausch.

5.Taylor & Sommer: Sommer geht auf die physische Herausforderung ein, baut großes Instrumentarium auf und versucht viele seiner Sounds einzubringen. Manchmal geglückt, manchmal weniger und etwas auf Kosten der Interaktion.

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