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Die dritte Platte, die ich im 2nd hand shop im Tausch gegen einen Stapel Staubfänger gekriegt habe.
James Moody (1959)
Obwohl ohne Titel, nicht das Debut von Moody, der damals schon gut 10 Jahre im Geschäft war. Wie man in den liner notes lesen kann, hatten Alkohol und Krankheit ihn aber Ende der 50er eine Weile aus dem Verkehr gezogen. Dies ist das zweite Album seines Comebacks, wenn man so will. Ursprünglich erschienen auf dem Argo-Label, was wiederum ein Ableger des Chicagoers Blues Label Chess war. Toll, was man damals offenbar alles fast gleichzeitig in Chicago hören und ein paar Tage später auf Schallplatte im Plattenladen bei den Gebrüdern Chess um die Ecke erwerben konnte.
Ich kannte von Moody bislang so gut wie nichts. Auf einer Prestige Box habe ich seinen 1949er Hit Moody’s Mood For Love. Muss ich mal wieder rausholen.
Dieses Album konnte ich zunächst nicht so leicht beschreiben und beurteilen. Es hat eine Weile gedauert, bis ich verstanden habe, woran das überhaupt lag. Der Grund ist aber eigentlich ganz einfach: Dieses Album kommt mit einem lieblos gestalteten Cover mit etwas unvorteihafter Nahaufnahme von James Moody mit Flöte daher, es hat nicht mal einen Titel, die liner notes sind wenig aussagekräftig und es werden weder Aufnahmedatum und -ort noch die komplette Besetzung genannt. Einen Produzenten und einen Toningenieur scheint es auch nicht gegeben zu haben. Wirkt insgesamt etwas ramschig.
Was ich auf der Platte höre, ist aber etwas ganz anderes: Das ist eine sorgfältig für Septett arrangierte Aufnahme mit James Moody an Flöte, Alt- und Tenorsaxofon, dazu Trompete, Posaune, Baritonsax, Piano, Bass und drums. Neben dem leader gibt es mit Johnny Coles (tp), den ich von einem Gil Evans-Album kenne, zwar nur einen einzigen einigermaßen prominenten Musiker, aber das macht fast gar nichts. Sehr schön sind hier vor allem die Klangfarben der sich aneinander reibenden Bläser. Moodys Flöte ist zwar oft das dominierende Soloinstrument und mit ihrem zarten Klang sowieso schon außergewöhnlich, aber Alt, Tenor, Trompete, Posaune, Bariton und Piano kommen ebenso zu Wort. Die Solisten mögen nicht alle die größten Individualisten sein. Aber die Mischung macht’s! Mit dem breiten Spektrum an Kompositionen (ein Moody Original, ein Clifford Brown-Stück, drei Standards, drei Kompositionen der anderen Beteiligten) ergibt das ein sehr vielfältiges Bild – was man allerdings auch nicht so schnell erfassen kann.
Die Platte hätte ein besseres Cover, einen Titel („The James Moody Septet“ hätte ja schon gereicht) und bessere liner notes verdient. Es ist vielleicht auch auf einem zu kleinen label erschienen und hat außer dem leader und Johnny Coles keine großen Namen zu bieten. Aber es gibt hier deutlich mehr Sein als Schein und man hätte die Platte in ein besseres Licht rücken können. Auf jeden Fall hat sich der Tausch im 2nd hand shop gelohnt!
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)