Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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Schon mal was von Urbie Green gehört oder gesehen? Ich nicht, jedenfalls nicht bewusst. Ein bisschen Recherche ergibt, dass er vor allem ein begehrter sideman war, der u.a. auf A.C. Jobims Wave und Stone Flower gespielt hat. Er hat aber auch einiges als leader veröffentlicht.

Urbie Green – Blues And Other Shades Of Green (1955)

Das Cover sah ansprechend aus, unter den Beteiligten sind Percy Heath, Kenny Clarke, Rudy Van Gelder und Creed Taylor, dazu die beiden mir bislang unbekannten Jimmy Raney (g) und Dave McKenna (p). Ich habe kurz recherchiert und dann kurzentschlossen zugegriffen. Ach ja, Urbie Green selbst spielt Zug- und Ventilposaune.

Die Posaune hätte ich eigentlich nicht für das filigranste, dynamischste und daher als Solo- und Leadinstrument prädestinierte Blechblasinstrument gehalten. Urbie Green verwandelt diese vermeintlichen Nachteile aber in Vorteile. Er spielt völlig unaufgeregt, ruhige sämige Linien, sein Ton ist weich und zart, die Musik ist gedämpft und changiert zwischen Ambient (gibt’s das im Jazz? Ich glaube schon.) und Kammermusik. Mit Jimmy Raney und Dave McKenna hat er zwei sidemen, die sich auf dieser sanft wogenden Welle schön mit ihm treiben lassen. Ein Stück nur mit Green und McKenna am Piano, zweimal sogar Piano Solo. Kann man im Hintergrund laufen lassen, man kann diese Musik aber auch die Kontrolle übernehmen und die Athmosphäre in Raum und Kopf entschleunigen lassen. Die Musik entfaltet beim aufmerksamen Hinhören aber auch einen subtilen Reiz. Muss man sich aber auch erst mal drauf einlassen, was mir nach dem dritten mal Hören mehr und mehr gelingt.

Im Nachhinein fällt mir auf, wie ideal sich Urbie Green in die Musik von A.C. Jobim gefügt oder sie sogar mit geprägt hat.

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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)