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Die letzten Tage noch dreimal The Necks (zwei davon auf der gestrigen Zugfahrt). Und dann seit gestern Abend Ferieneinkäufe. Bin echt überrascht, wie unterschiedlich die ganzen Alben sind – eine grosse Entdeckung, bei der ich jetzt vielleicht in der Mitte angekommen bin … dass die Studio-Alben so stark mit Overdubs/Multitracking arbeiten, hatte ich nicht so wirklich erwartet (obwohl die Texte von @vorgarten das natürlich erwähnten – vielleicht hatte ich es nicht als derart prägend fürs Endresultat erwartet?). Hervorragend jedenfalls, „Townsville“ fand ich von den bisher gehörten („Sex“, „Aquatic“, „Silent Night“, „Piano Bass Drums“, „Hanging Gardens“, „Aether“ plus die drei oben) glaub ich eine Spur schwächer – und ich hab mich natürlich gefragt, ob das ausgerechnet dran liegt, dass das ein Live-Album ist? Meine Necks-Erfahrung beschränkte sich ja davor auf zwei Live-Konzerte (beide mit Flügel und ohne viel weiteres Equipment, also keine Orgel oder sowas und soweit ich mich erinnern kann auch kaum Effekte/Elektronik im Spiel – weisst Du’s noch für Mulhouse @redbeansandrice? War gestern einen Moment wehmütig, als der Zug dort stoppte, das Festival war schon sehr toll, hab viele phantastische Erinnerungen daran, inkl. die seltsamen Dinge wie Alvin Curran mit der Shofar).
Das Album mit Joe Williams ist eher eine Jam-Session (Leonard Feather labert manchmal im Dialog mit wem kommentierend drüber, stellt z.B. Pianist Bobby Henderson als neue Sensation vor oder – ausgerechnet – Marlowe Morris als einen der besten Orgelspieler) – atypisch besetzt mit zwei Bläsern: Emmett Berry-t und Vic Dickenson-tb und übersättigter Rhythmusgruppe (p/org plus Aaron Bell-b und Bobby Donaldson-d), was dem ganzen einen interessanten Sound gibt. Die Tastenmänner kriegen ihre Features, Williams ist überhaupt nicht omnipräsent. Sechs der acht Stücke hatte ich schon auf den „Basie Bunch“-Compilations von Ace, hier ist das ganze – lange – Vanguard-Album drauf, die beiden fehlenden Stücke sind fast 17 Minuten lang, darunter der lange Closer „Canadian Sunset“, eine tolle Komposition von Eddie Heywood.
Für sowas wie die Scheibe von Pat Moran (die jüngste Japan-CD von 2012 second hand für kleines Geld) ist Gibert in Paris (Blvd. Saint Michel) immer noch erste Adresse … hier wird viel gesungen, nicht nur von der Leaderin und ihrem Trio (John Doling-b und Johnny Whited-d) sondern auch von der Frau, die die Gruppe überhaupt erst zum Quartett macht: Bev Kelly. Nach kurzer Angewöhnung fand ich das vom ersten Eindruck her ziemlich super!
Jetzt läuft das jüngste Album von Martial Solal – Aufnahmen von Ende 2018, ein halbes Jahr nach den „histoires improvisées (paroles et musique)“, die bei JMS herauskamen und mich schon überraschten. Meines Wissens tritt er seit etwa damals nicht mehr auf – ist ja auch 96 inzwischen. Hier gibt es 1:34 Stunden Solo vom 5. Klavierfestival im Rahmen der Ottobrunner Konzerte, als Solal bei einem „Jazz Piano Marathon“ aufgetreten ist. Neben Standards („My Funny Valentine“, „I’ll Remember April“, „Lover Man“, „Cherokee“, „Here’s That Rainy Day“, „My One and Only Love“) und ein paar Originals fehlen auch Ellington (ein Medley mit „Caravan“, „Sophisticated Lady“ und „Satin Doll“) und Monk („Round Midnight“) nicht. Produziert hat Cornelius Claudio Kreusch (nur ein Name, aber der begegnete mir schon in den Neunzigern, ist ja einprägsam) und der meint in den kurzen Liner Notes (es gibt dazu noch Testimonials von Franck Amsallem, Jean-Michel Pilc, Laszlo Gardony, Luis Perdomo, William Lecomte, Aydin Esen, Manuel Rocheman und Jefff Gardner), was der 91jährige geboten habe an dem Abend, sei „a lesson in conviction“ gewesen: „An example in vitality. A proof of dedication. A sense of joy. An ocean of creativity. A spotlight on a life in improvisational flux. A life in jazz staying true to oneself. The gift of music granted by a master of a century.“ Das stimmt natürlich alles.
Am Freitag war ich zu Besuch im Laden von Sam Records – hab nur zwei günstige Second Hand LPs gekauft (immerhin „Underwear“ von Bobo Stenson – zuerst im ECM-Faden nach dem zugehörigen Post von @vorgarten gesucht und dann war der Fall klar), weil ich von den eigenen glaub ich momentan alles habe, was ich will und was erhältlich ist (die vergriffene Jef Gilson hat er noch, aber er legt sein Zeug in der Regel ja früher oder später eh wieder auf) – aber er liess für mich die ganze erste LP des neuen Davis-Konzerts mit Wilen und dem Urtreger Trio laufen … und das ist umwerfend gut! Dringende Kaufempfehlung, bevor Sony mit einer Klage droht (gibt’s auch auf CD, ich hab ihm – Fred Thomas heisst er – auch frei raus gesagt, das sei was, was ich auf CD kaufen werde, was ihn überhaupt nicht störte oder so … aber die Doppel-LP ist hüsch aufgemacht, ein paar Fotos, einer dieser gelehrigen Pujol-Texte dazu, der etwas Vorgeschichte liefert – und das wichtigste: der Klang ist tatsächlich sehr gut … was ein Wunder grenze, denn er, Thomas, habe die Bänder gesehen und deren Zustand sei echt lamentabel gewesen).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba