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Andreas Gabalier & Friends „Hulapalu-Dirndl-Wahnsinn-Tournee“ im Kitzbühler Tennisstadion, 18.8.
„Summertime in de Neinzgajoar – woast du no wia schee des woar?“
Direkt gegenüber vom Tennisstadion ist eine Art Mall mit Premium-Supermarkt und einer Filiale der Zillertaler Trachtenwelt. Als geschäftstüchtiger Tiroler ist man nicht blöd und stellt zwei Karusselle voller 10€ T-Shirts draußen hin, schön trachtlerisch mit Hanfstrickverschlüssen und Glitzerhirschen drauf, komplettiert durch geile Typos wie „PRACHTBOCK“, „BERGVAGABUND“ oder „FETZENSCHÄDEL“. Da ist man gleich sauber angezogen wenn der Andreas ruft (egal wen man reden hört, der Name Gabalier fällt nie, es spielt der Andi oder der Andreas, man kennt sich schon ewig und er gehört wie man selbst auch zur Familie) und für die frisch renovierte halb so junge Freundin springt noch ein schönes Polyesterdirndl dabei raus (wenn 7500 Leute in Plastikgewand in einem Kessel stehen und die Sonne draufscheint nimmt sich das verglichen mit einer Biogasanlage nicht viel). Egal, ich ziehe die Kappe tiefer ins Gesicht und geh rein, Schattenplatz, tiptop, Leute schauen, es ist jetzt schon herrlich.
Als erstes hüpft ein Ö1-Superstimmungsmoderator auf die Bühne und legt Sara perche ti amo auf, drei, viermal hintereinander, es hat 45’C und man fühlt sich genau wie in Bella Italia, oder? – liebe Freundinnen und Freunde? Erster Liveact ist die unsterbliche, jodelnde Gastronomin Rosi Schipflinger (steht mindestens so lange auf der Bühne wie Willie Nelson) und ich erkenne neidlos die alte Musikantenstadlschule an, es geht um Heimat und Hirtabuam, Ofenbankerl und Sonnenschein, alles ziemlich stimmgewaltig vorgetragen (ja, wirklich. Überhaupt war an dem Abend absolut nichts vom Band). Nach drei Liedern gings weiter mit Mark Keller, der sang zwei Songs von Dean Martin und „Ich war noch niemals in New York“ von Udo Jürgens wie Udo Jürgens. Hätte ich ihn nicht gesehen – ein echt lässiger Typ übrigens! – hätte ich nicht geglaubt, dass der Bockelmann wirklich tot ist.
Dann gings los mit der gequirlten Scheiße, Monika Gruber betritt unter tosendem Applaus der „normalen Leute“ die Bühne, es geht um gändern, Vegetarier, vergangene Zeiten, Deitsche und was man in Deitschland nimmer sogn derf und dass sie froh ist hier unter gleichgesinnten Freunden zu sein, die alle so denken wie sie. Puh, ich fühle micht unwohl, bis hierher war die Sache lustig.
„Tiroler Gröstl, Kärntnernudeln, Mannerschnitten, Apfelstrudel
Mozartkugeln, Sachertorte, Linzerradln, Krapfen
Ja da bin ich geboren und nur da bin i dahoam“
Der Ö1-Kasper moderiert „de GRUUUUUAAAAABAAAAARIN“ (sie gehört ebenfalls zur Familie) ab und die Ursprung-Buam an. Es ist inzwischen dunkel und die drei Edel-Diamanten der Voiksmusik gehen auf die Bühne und fangen an zu spielen wie die jungen Pogues (mein voller Ernst, textlich gings auch um Hirtabuam und Edelweiß, aber musikalisch waren sie echt sehr nah am stakkatohaften Power-ge-ziache von „Greenland Whale Fisheries“, dazu noch die Geige, fand das überraschend direkt in der Vortragsweise), das Publikum dankt mit Extase, es stinkt langsam ziemlich.
„Der Walkman hot uns des Hirn weggföhnt,
Noch ona horten Nocht ham’s uns wiederbelebt“
Es folgt die Umbauphase, alle gehen gleichzeitig bieseln und reiben ihre tätowierten Körper aneinander (ohne Tattoo bist du in Tirol nur ein halber Mensch), die Laser gehen an und wieder kommt der Radiomann daher. Ob olle guat drauf sein und es fein isch do herinn? Er droht mit einem besonderen Gast, der als Privatmann Urlaub in Kitzbühel macht und sowas wie jetzt gleich eigentlich nie tut, nur gehört er eben auch wie der Andreas (sie kennen sich privat, wie er augenzwinkernd verrät) zu dieser, unseren großen Familie und deshalb betritt unabwendbar der private Mario Barth die Bühne. Er gibt dem Publikum zwei Optionen, a) er moderiert einfach den Andi an oder b) er könnte direkt jetze noch ne schnelle Nummer (gröhl) machen. Die kommt dann auch, es geht wieder um das normale Deutschland und Berlin (er fragt wer alles Berlin kennt), Putenschnitzel, Schweineschnitzel, Zigeunerschnitzel, veganes Wasser usw. Furchtbar, ich versuche die Maude Flanders zu machen, leider versperrt mir der Fanclub Walchsee den Weg, mein Bier ist auch leer, Mario Barth liest immer noch aus den prolligsten Bild-Schlagzeilen der letzten Jahrzehnte vor. Fan und Artist schaukeln sich gegenseitig hoch, müsste ich raten, wen die meisten hier wählen…
Licht aus, Laser an, am Hahnenkamm leuchtet die rote Gams, Gabalier kommt. Er trägt eine Art Lederhose, „Retro-Wanderstiefel“, Anzughosenträger, schwarzes T-Shirt und hat sich einige Gelenke mit trachtigen Bandanas abgebunden. Dazu schwingt er einen mehrgliedrigen Holzstock (wie so ein keltischer Schamane) welcher mit allerlei Klimbim behangen als Mikrofonständer fungiert. Dann schreit er „Juchitz amoi!“ und alle schreien irgendwas, Hauptsache es ist laut. Er begrüßt alte und neue Freunde in seiner, unser aller Heimat für diesen wunderbaren, magischen Abend und schwört wie unglaublich dankbar er ist, dass heute so viele normalen Leit da sind um mit ihm a normales Fest wie früher zu feiern ohne Vorschriften und Verbote etc etc. Ab jetzt besteht kein Zweifel mehr wohin der Abend geht. Die da oben wollen uns brave Bergbauern und Hirtabuam niederdruckchen, schaffen sie aber nicht, weil wir so a wahnsinnig guate Stimmung machen.
„Amoi im Lebn an deiner Seitn
Mit meim Bügeleisen
Auf und nieder gleiten
Fingerhuat, steile Dirn
Steckennodl, dicker Zwirn
Luftilup – Liebeleien
Unten umma frei sein
Dije, dije, dije, dije, dije, dije
Du bist so schön anzusehn
Bügel dei Dirndl gscheit auf
Bügel dei Dirndl auf
Bügel dei Dirndl gschei-eit auf“
Zwischen den Liedern widmet er den Abend seiner liaben Mutti ohne die er heute nicht hier wäre und wir auch nicht und meint dann, eigentlich sind alle Muttis toll, Standing Ovations und Fist Pumps, jawoll! Mama! Ich rufe meine an und frage ob sie mich abholen kann, leider versteht sie nix, es geht weiter. Das Akustik-Set beginnt und er besingt seine Hoamat, seine Berghoamat, die Buam und de Madln, seine Steirer Hoamat und die zwei Beine mit denen er fest auf seiner Hoamaterde steht. Zwischen den Songs schwadroniert er immer wieder vergangenheitssehnsüchtig von echten Werten und normalen Leuten, dann folgt noch „Proud Mary“ und als letztes Lied eine sehr schräge Version von „500 Miles“. Die Zuseher sind zu diesem Zeitpunkt in einem Rausch (ja, auch vom Bier) gefangen aus dem es kein Entkommen gibt und der Hohepriester ruft uns alle dazu auf, in Kitzbühels Straßen bis ins Morgengrauen zu tanzen und zu feiern.
„Wahnsinn
Wie sehr i an die Zeiten häng
Wahnsinn
Wie sehr i für die Zeiten brenn“
Ich steig auf mein Radl, fahr duschen und lebe seitdem in Angst, Mario Barth privat zu begegnen. Ende.
ps.:Eintritt musste ich keinen bezahlen (der Spaß hat auf den billigsten Plätzen mehr gekostet als die besten Plätze bei Iron Maiden) und der Abend war in weiten Teilen interessant und amüsant, mitunter überkam mich übelstes Fremdschämen und hier und da hab ich mich ertappt, das unbestreitbare Showmanship des Herrn Andi zu bemerken (oben hab ich mal den Vergleich mit den Pogues gezogen, hier wäre Glenn Danzig zu seinen besten Zeiten ein guter Marker. Singen, vor allem laut singen, kann der Typ). Unangenehm war es immer dann, wenn geredet wurde.
zuletzt geändert von cleetus--
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