Antwort auf: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

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Ich bin mit Demy durch … vorgestern Parking (FR 1985), eine seltsame Adaption des Orpheus-Mythos und einer der Filme, den Demy bedauerte. Nachvollziehen kann man das irgendwie bei allem nach „Peau d’âne“ oder „The Pied Piper“, aber missen möchte ich dennoch keinen von ihnen … eher hätte ich gerne mehr davon, denn es gab wohl so einige Projekte, die nicht nur lange in Planung warnen (siehe „Une chambre en ville“) sondern auch welche, die gar nie zu einem Abschluss kamen.

Der Popstar Orphée (Francis Huster) fährt mit der E-Gitarre am Rücken mit seinem Motorrad vom Schloss, in dem er haust, nach Paris, um seine neue Show zu proben. Er erinnert an Jim Morrison, John Lennon, aber auch an Johnny Halliday. Seine Freundin Eurydice (Keiko Itô – sie sprach kein Wort französisch, sprach ihren Part rein phonetisch … und klar: Yoko Ono lässt grüssen, die beiden tragen zuhause auch fast nur weiss und liegen auf weissen Decken vorm Kamin herum) nimmt sich – am Ende mit den Nerven ob seines Verhaltens (er war da schon mal kurz im Empfangszentrum der Hölle zu Besuch, siehe Bild) und sich betrogen fühlend, nimmt sich das Leben – sie spritzt sich Drogen, die sie von der Chefin der Bacchantinnen gekriegt hat, denen sie Zutritt zum ausverkauften ersten Konzert in Paris verschaffen soll. Orphée sucht erneut den Kontakt mit der Hölle – betrieben wird sie von Jean Marais als Hades, dessen rechte Hand Claude Perséphone (Marie-France Pisier) sich in Orphée verknallt. Dieser darf Euridyce mitnehmen, mit der bekannten Bedingung. Die beiden verbringen erfolgreich (sie verbindet ihm die Augen) eine Nacht in einem von Hades‘ Motels, aber dann – irgendwie in einem Strassentunnel gelandet und noch nicht ans Tageslicht gekommen – rast ein Auto auf sie zu, Orphée dreht sich um und verliert Eurydice. Nach dem letzten Konzert in Paris wird Orphée frenetisch gefeiert, nach draussen getragen, wo dieselbe Chefin der Bacchantinnen ihn erschiesst (Lennon lässt ein letztes Mal grüssen).

Die Hölle ist ein Parkhaus und eine unterirdische Metro-Station – das ist echt kein Meisterwerk, sehr Achtziger, aber es gibt doch einige schöne Dinge zu sehen, natürlich v.a. die erneute Besetzung von Jean Marais, dem inzestuösen Vater (vgl. dazu dann auch der letzte Film Demys, Post dazu folgt) aus „Peau d’âne“ als Höllenaufseher am Computer – ein seltsam komisches Bild heutzutage … aber eben: Achtziger halt. Die Musik nimmt natürlich wieder einen recht grossen Part ein, es gibt die Songs, die Orphée auf der Bühne singt (beim Proben, beim ersten Auftritt zur selben Zeit, als Eruydice stirbt, bei den umjubelten Konzerten, die er nach ihrem Tod dann doch gibt), aber auch ein paar in die Handlung eingestreute, eine davon erinnert ein wenig an Donovans Barden-Auftritt in „The Pied Piper“. Der Film kann also einmal mehr als Musical durchgehen. Dass Michel Legrand hier drauf Bock hatte, aber nicht auf „Une chambre en ville“ – schwer nachzuvollziehen, aber irgendwie halt auch ganz gut zum Bild passend, das ich als Jazzkopp von Legrand habe (kurz: eine starke Tendenz zu Schönem, das häufiger als nötig zum Seichten und Trivialen wird).

Was ich auffällig finde: Nacktheit gibt es bei Demy erst in den letzten Filmen, erstmals in „Une chambre en ville“, als Sanda beim Gerangel mit ihrem eifersüchtigen Ekelmann (Piccoli) der Pelzmantel entgleitet und sich öffnet. Da steht sie dafür für einen Moment gleich komplett nackt. In „Orphée“ gibt es schon zu Beginn eine erste konventionelle Sex-Szene, im Motel dann noch eine. „Chambre“ gehört unabhängig davon zu Demys besten Filmen, aber sexier werden die Filme durch diese Szenen (im letzten Film gibt es sie nochmal) absolut nicht.

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