Antwort auf: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

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Gestern die nächste DVD aus der Demy-Box: Lady Oscar (FR/JP, 1979). Der Film ist die Adaption eines erfolgreichen Mangas über „Lady Oscar“, Dienerin von Marie-Antoinette am Königshof in Versailles und Paris. „Die Rosen von Versailles“ („Berusaiyu no Bara“) heisst der Manga aus dem Jahr 1972, den auszeichnet, dass er von einer Frau stammt, Riyoko Ikeda, die in dieser Männerdomäne damit einen grossen Erfolg feierte. Als letztes Kind – die Mutter stribt bei der Geburt – und sechstes Mädchen beschliesst der Vater, das Kind als Jungen grosszuziehen. Nach einer unbeschwerten Kindheit und Jungend an der Seite des besten Freundes André (Barry Stokes) trennen sich die Wege. Lady Oscar (Catriona McColl) kommt an den Hof, André in den Stall. Als junger Edelmann auftretend duelliert sich Lady Oscar, mischt bei Kneipenschlägereien mit, kriegt mit der Zeit mit, in welcher Armut und Not die Bevölkerung des Landes lebt … die uneingestandene Liebe zu André bildet wie die aufkeimende Revolution einen stetigen Hintergrund, während Lady Oscar am Hof zu den engsten Getreuen der egozentrischen Königin wird, deren Liebhaber sich in sie verliebt, während der schwache Gatte von seinen Ministern immer weniger respektiert wird. Statt eines Vulkans lässt Marie-Antoinette sich ein Theater bauen und will den „Barbier von Sevilla“ aufführen – ein damals verbotenes Stück. Als Lady Oscar schliesslich mit einem reichen Adligen verheiratet werden soll – der Vater entscheidet, Lady Oscar ist jetzt wieder Frau und hat sich zu fügen – beginnt endgültig ihre Befreiung. Zu einem Ball mit dem Verlobten erscheint sie in Männerkleidern, schreitet die Damen ab, bittet eine zum Tanz – und küsst sie schliesslich vor aller Augen auf den Mund. Der Film endet mit der Stürmung der Bastille – und dem Tod Andrés, nachdem Lady Oscar ihm seine Liebe gestanden und mit ihrer Herkunft gebrochen hat.

Gedreht wurde für die Strassenszenen in Senlis, die Innenaufnahmen entstanden in Versailles selbst, wo bis dahin kaum je eine Filmcrew Zutritt erhalten hatte (zum ersten Mal seit dem 1954er Spielfilm „Si Versailles m’était conté…“ von Sacha Guitry). Demy war von den japanischen Produzenten angefragt worden, ob er den Film machen will. Er arbeitete am Drehbuch mit und scheint den Film in vieler Hinsicht geprägt zu haben – das Ergebnis wirkt jedenfalls in vieler Hinsicht wie ein echter Demy – auch wenn Demy am Ende wie es scheint nicht zufrieden war. Ein so grosses Budget hatte er sonst wohl nie wieder. Der Dreh mit dem zumeist britischen Ensemble und der um spanische Kameratechniker (die hatten von all den grossen US-Produktionen aus Andalusien Kenntnis von Gerätschaften, die die Franzosen nicht bedienen konnten) angereicherten französischen Equipe scheint sehr entspannt und dennoch sehr konzentriert abgelaufen zu sein, es gibt bei den Bonusmaterialien ein paar Schnipsel vom Dreh und ein paar Einblicke in Technik, Kulissen usw. In Japan war „Lady Oscar“ recht erfolgreich, aber in Frankreich wurde er gar nicht erst vertrieben und blieb wohl im Westen generell wenig bekannt. Erst zwanzig Jahre später kam der Film in Frankreich doch noch heraus, und 2008 dann wieder als Teil der DVD-Box mit Demys gesammelten Filmen.

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