Antwort auf: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

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L’Événement le plus important depuis que l’homme a marché sur la Lune (FR/IT, 1973) – gestern comedy time, ein halb privat anmutender „couples“-Film von Varda/Demy und Deneuve/Mastroianni: die beiden Frauen waren befreundet, als die befreundeten Paare sich trafen, ging es hauptsächlich um die Schwangerschaft(en) – und irgendwann stand die Frage im Raum, was wenn wäre, wenn die Männer … und so entstand dieser einmal mehr doppelbödige Film, der als leichte Komödie so gut funktioniert wie als feministischer Thesenfilm. Mastroianni als scheinschwangerer Fahrlehrer, der sich unwohl fühlt und nur widerwillig zur Ärztin geht, die ihn gleich bei einem renommierten Frauenarzt anmeldet. Dann geht das Karussell los, er wird hofiert, Presseberichte, Fernsehen, ein Werbevertrag mit einer Modefirma, der Coiffeursalon von Deneuve boomt (die Szenen mit den Kundinnen dort gehören zu den Highlights), die eine Linie mit Mode für schwangere Männer ins Leben ruft, aus der ganzen Welt Meldungen über schwangere Männer – doch es kommt, wie es kommen musste: Einbildung, kollektive Psychose, die Koryphäe hat halt einen Fehler gemacht. Am Ende wird geheiratet, Deneuve fühlt sich unwohl und meint: „Ich bin schwanger“. Das Drehbuch stammt natürlich von Demy selbst.

Ein Musical wurde es dieses Mal nicht, doch Mireille Matthieu singt zwei Chansons für den Film: den Titelsong, der im Vorspann läuft, und später „Paris perdu“ bei einem Konzert, das unsere Protagonisten frühzeitig verlassen müssen, weil Mastroianni sich unwohl fühlt … Michel Legrand hat den restlichen Score (zurückhaltend) komponiert. Und dann muss endlich mal der Name des Ausstatters genannt werden, der seit 1957 (s.u.) dabei war und nur bei „Peau d’âne“ wegen des zu kleinen Budgets hingeschmissen hatte: Bernard Evein. Er ist auch in Vardas Dokumentation über die „Demoiselles“ (s.o.) mit dabei und gehörte zum engen Kreis der Leute, mit und dank denen Demy seine Vision des Kinos umsetzen konnte.

Die DVD enthält leider keine Untertitel (sonst gibt es bis dahin stets englische Untertitel bzw. französische, wenn der Film englisch gedreht wurde) – dafür gibt es eine englische Version, aber das mochte ich mir dann doch nicht antun. Bei den „Demoiselles“, wo dafür wegen der vielen Wortspiele in den Chansons manches umgeschrieben werden musste, hätte ich die englische Version gerne dabei gehabt, aber dort gibt es sie leider nicht. Schade – aber die DVD-Box ist auch so erstklassig, das sind wirklich kleine Mängel.

Davor holte ich noch den ersten kurzen Spielfilm nach, der mir bisher entgangen war, weil er nicht zusammen mit den anderen frühen Kurzfilmen auf der ersten DVD der Box zu finden ist: Le bel indifférent (FR, 1957). Jeanne Allard spielt in dieser Adaption von Cocteaus gleichnamigen Zweipersonen-Stück die Sprechrolle der Frau, die ihrem vermutlich untreuen Geliebten einen Vortrag hält, Fragen stellt, Vorwürfe macht, fleht, droht … doch dieser kommt wortlos ins gemeinsame Zimmer, liest schweigend auf dem Bett die Zeitung, schläft ein … wieder aufgeweckt zieht er sich an und geht. Stark – und rot. Evein ist hier bereits dabei, wie gesagt, und die Kostüme besorgte erstmals Jacqueline Moreau, eine Kindheitsfreundin und spätere Studienkollegin von Demy, die auch bei den „Parapluies“ und den „Demoiselles“ die Kostüme verantwortet hat (und später noch einmal bei „Lady Oscar“, zu dem ich die nächsten Tage noch komme). Das ist sein exzellentes, beklemmendes Kammerspiel mit einer starken Hauptdarstellerin. Das bisschen Musik für den Vorspann hat Maurice Jarre komponiert, Demy selbst spricht eine von zwei Erzählerstimmen, auch das nur kurze Auftritte. Der Darsteller der Titelfigur ist Angelo Bellini, zu dem IMDB keine weiteren Credits führt (ich hab das Bonusmaterial dazu noch nicht angeschaut, vielleicht gibt es da noch einen Satz über ihn).

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