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Anonym
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Danke auch von mir Flurin, das ist mächtiger Stoff. Ich habe keine Ahnung, wie Du das schaffst!
Von mir nur kurz Anekdotisches: Gestern Abend Tarkowskijs „Offret“ – der Film, weshalb ich mir Ende der 1980er-Jahre 1. einen Fernseher, 2. einen Videorekorder, 3. den Film gekauft habe. Ich war jung, seht’s mir nach. Gestern Abend passte der Film pfeilscharf in die Stimmung. Wir hatten zuvor, also in den letzten Tagen, Diskussionen über Pasolini und Maria Callas und „Medea“, über Godard, und auch, dies als Notiz über die Dostojewskij-Vorwürfe von Melnyk – und gestern Abend fügte sich alles zusammen. Und es fügte sich seltsam: Ich habe mit religiösem Kram nichts am Hut, bei Tarkowskij sehe ich nur, dass das ein Deckel ist, Dostojewskij-Erbe, könnte man sagen. Aber seine Bilder, wie er die Figuren hinstellt, selbst wenn sie nur am Tisch sitzen, rühren mich sehr an. Man kann sagen, das ist zu endzeitlich, aber so war das Ende der 1980er-Jahre, heute wohl nicht minder, wie seit jeher nicht anders. Das heißt, für mich, ich möchte da durchgucken. Möchte sehen, wie jemand, der es besser kann als ich, sieht. (So geht’s mir zum Beispiel auch mit Ozu.)
Und dann die andere Erkenntnis, wenn es eine ist: Natürlich ist da viel Bergman, alles belegt in Tarkowskijs Tagebüchern, aber: Es ist auch viel strenger Pasolini darin, und so fügte es sich, erneut, dass Godard in den „Histoire(s)“ ihm, Pasolini, eine großartige Huldigung erwiesen hat. Und zugleich Tarkowskij völlig in Ruhe gelassen hat. (Weil er eine völlig andere Sprache spricht.) Ja, nur Anekdotisches. Einfälle, weil ich inzwischen nicht mehr glaube, dass offizielle Feuilletonmeister und Feuilletonmeisterinnen etwas erklären können. Die Zusammenhänge sind ganz woanders begraben. Wer erklärt zum Beispiel, warum Tarkowskij nach „Offret“ einen Film über E. T. A. Hoffmann machen wollte?
Nun also, „Offret“, ein Film, wie bei seinen anderen, in dem jedes laufende Bild auch, als Still, aufgenommen hätte werden können. Und es wäre das einmalige, schöne, Photo. Das ist: Strenge. Und das hat uns gestern Abend berührt. Mal abgesehen davon, dass kaum ein Kind eine solche Wegbegleitung für sein Leben bekommen hat. Und der große Abschluss von Tarkowskijs Filmen: Warum sprechen wir, was tun wir damit? Es ist kitschig womöglich, aber der kleine Junge fragt am Ende: „Am Anfang war das Wort. Warum, Papa?“ In dieser Weise: Mut zum Kitsch.
Und ein größer brennendes Haus (ich meine die Flammenbilder) habe ich noch nicht gesehen. Ich habe es noch einmal nachgelesen, weil mich meine Erinnerung nicht trügen sollte. Tarkowskij hat das Haus noch einmal aufbauen lassen, weil der erste Brand ihm nicht genügt hatte. Und erst da dürfen mir gerne die Kunstverständigen in den Zeitungen erklären, warum in „Nostalghia“ das Wasser so wichtig ist und in „Offret“ das Feuer.
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