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diese Kikuchi Box ist wirklich super…
John La Porta – South American Brothers
Die Menschen von frueher praesentieren auf diesem Album eine ihrer seltsameren Ideen. Das Jahr ist 1956, John La Porta besucht Venezuela und nimmt fuer Fantasy ein Album mit verschiedenen lokalen Jazz-Bands auf. Die Tatsaeche, dass es nie ein Reissue gab, weder OJC noch Japan noch Freshsound, die in diesem Bereich viel gemacht haben, noch sonstwer deutet schon daraufhin, dass das hier kein vergessener Klassiker ist… und irgendwie ist der Fehler im Konzept ja auch ziemlich augenfaellig… Einerseits ist es kein venezuelanisches Jazz Behind the Dikes oder Ginparis oder so, weil beinah jeder Track ein Feature fuer John LaPorta ist und die local heroes entsprechend etwas kurz kommen… und andererseits ist es halt auch kein „richtiges“ John La Porta Album, weil er halt auf seinen anderen Alben von vergleichsweisen Stars der Jazzszene begleitet wird, und nicht von einem Potpourri aus sehr unterschiedlichen Bands, die ihm Jacques Braunstein, der Vorsitzende der lokalen Jazzfans, vor die Nase gesetzt hatte… Was man nicht vergessen darf, ist, dass La Porta damals 1956 auch kein kleinerer Name war als John Coltrane oder Hank Mobley… und man will sich nicht ausmalen, wie gesucht das Album waere, wenn einer von den beiden hier an La Porta’s Stelle dabeigewesen waere… Aber: Eine von La Portas grossen Staerken war es, dass er eigentlich alles super spielen konnte, Cool Jazz und Third Stream natuerlich, aber auch „richtige Klassik“ und Hard Bop an der Seite von Donald Byrd… und aus der Warte macht es dann auch sehr viel Sinn, dass La Porta hier dabei ist, und es ist spannend zu hoeren, wass er aus diesen Begegnungen mit sehr unterschiedlichen Bands macht…
das Cover macht ja so einen leichten Latin Jazz Eindruck, und der Titeltrack, von LaPorta mitgebracht und mit dem Orquestra Casablanca aufgefuehrt hat auch so einen Hauch von Tito Puente… Allerdings hab ich den Eindruck, dass man von venezuelanischer Seite eigentlich eher beweisen will, dass man Cool Jazz fast genauso spielen kann wie die Amerikaner – und die meisten anderen Jazznationen Mitte der 50er. Einer der Drummer hat schon mit Jutta Hipp und Hans Koller gespielt, darauf ist man stolz. Entsprechend klingen die meisten der anderen Tracks des Orquestra Casablanca, eher nach einer Band, die recht viel von Woody Herman haelt, und sich nach einem Film mit Humphrey Bogart benannt hat (und nicht nach einem weissen Haus). Das Orquestra Casablanca und ein aus seinen Reihen zusammengestelltes Septet haben insgesamt 7 der 11 Tracks beigesteuert, die meisten discogs credits hat auf den ersten Blick der Tenorist Tata Palau, ein Kubaner in einer ueberwiegend einheimischen Band… die anderen zwei Bands mit je zwei Tracks gehoeren zu einer internationalen Jazzszene in Caracas, ueber die ich gerne mehr wuesste.. der Pianisten Charlie Nagy und sein Drummer Joe Fabry sind Ungarn, ihr Bassist Rafael Soteldo mag aus Venezuela sein, ihr Vibraphonist Earl Hodges hat sich fuer einen sehr neutralen Namen entschieden… Die Band ist gut, sie spielt Swing a la Goodman mit LaPorta an der Klarinette statt am Altsaxophon… die zwei Tracks sind vom ersten Eindruck her das Highlight der Platte… das Sextett des Trompeters Walter Albrecht war die Band, die mich so neugierig machte, dass ich das Album kaufen musste (plus: es ist mein erstes original Fantasy Album auf rotem Vinyl)… was taten Albrecht und seine Sidemen Heinrich Hübner (tb), Horst Wittauer (ts), Werner Böhm (p), ? (b) und ein Herr Abel (dr) im Sommer 1956 in Caracas? Deutsche in Südamerika in der Mitte der 50er setzt ja so Denkprozesse in Gang, aber ich bin mir eigentlich sicher, dass das hier nicht zutrifft… In den Liner Notes steht, die Band kaeme aus Bayern und sei erst kuerzlich in Venezuela angekommen… Wittauer scheint sowas wie der Stan Getz von Nürnberg gewesen zu sein (s hier), die anderen haben leider Namen, die man kaum googeln kann… (der Werner Böhm ist das hier wohl nicht, passt vom Alter her nicht etc, aber in einem Land wie Deutschland kann es ja auch zwei Jazzpianisten namens Werner Böhm gegeben haben…) Musikalisch ist das Walter Albrecht Sextett jedenfalls eine typische Cool Jazz Band der mittleren 50er Jahre, und meine Recherche noch nicht beendet…
edit, weil gerade gefunden, hier fasst John S Wilson im Jahr 1958 ab p. 67 die Jazzszene der Welt jenseits der USA zusammen..
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