Antwort auf: Rammstein

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herr-rossi
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Dem Kontext konnte man ja nun wohl mühelos entnehmen, dass sich der Widerwillen nicht auf 60-jährige Männer im Allgemeinen bezog, sondern auf einen bestimmten 60-jährigen Mann, der anscheinend seine Position nutzt, um sich notorisch an für ihn anonymen und austauschbaren Frauen zu befriedigen, die maximal halb so alt sind wie er (wenn die Beobachtungen zutreffen). Und ja, als 55-jähriger Mann verstehe ich diesen Widerwillen absolut. Und selbst wenn das, was Lindemann da treibt, nicht justitiabel sein und stets auf der freien Willensentscheidung der Frauen beruhen sollte, halte ich das für verwerflich. Hier geht es doch offenkundig nicht um Sex auf Augenhöhe, sondern hier wird leicht manipulierbares, in jeder Hinsicht unterlegenes „Material“ gesucht, an dem der alternde Star sich selbst seine intakte Männlichkeit beweisen kann. Hier geht es um Machtspiele und Selbstermächtigung (und möglicherweise auch um Süchte). Das hat auch Kayla Shyx absolut nachvollziehbar so empfunden. Insgesamt finde ich ihre Schilderung sehr glaubwürdig, nachvollziehbar und sehr eindringlich, wie verstörend und creepy sich die Situationen angefühlt haben müssen, auch wenn nichts „Justitiables“ geschehen ist.

Und ehe jetzt jemand wieder einwirft, es sei halt kein „Blümchensex“: Gerade mit Blick auf härtere Spielarten des Sex ist das absolut verantwortungslos, was Lindemann da anscheinend treibt, selbst wenn es alles im legalen Rahmen sein sollte (vorausgesetzt etc. pp.). In den BDSM-Communities werden Szenarien ausgelebt, die für Vanilla People unerträglich erscheinen, die aber safe, sane und consensual gestaltet werden. Das setzt gegenseitiges Vertrauen voraus und die Einhaltung von Regeln. Der Top oder Dom weiß, was er für eine Verantwortung trägt und was er tun und was er unbedingt unterlassen sollte (und falls nicht, ist das eine „red flag“, denn es kann um schwere körperliche und seelische Schäden gehen). Es gibt Vorgespräche, es gibt Safewords, es gibt Aftercare, es gibt eine echte menschliche Verbindung, selbst wenn die Partner kein Paar sind oder sich nur flüchtig kennen. Nichts davon ist in dem spürbar, was an Aussagen über Lindemanns Praktiken vorliegt. Selbst wenn seine Partnerinnen das, was sie tun, wirklich freiwillig tun – es ist verantwortungslos.

Und wenn jetzt jemand die „Voreingenommenheits“-Karte ziehen möchte: Rammstein waren musikalisch nie mein Ding, aber als respektables popkulturelles Phänomen habe ich sie immer gewürdigt, auch hier im Forum. Das ist allerdings vorbei.

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