Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

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gypsy-tail-wind
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vorgarten

gypsy-tail-wind Was da sehr New York sein könnte … weiss ich jetzt auch nicht so genau, aber vielleicht ist das dieses New York, das Leute wie Tom Rainey oder Ingrid Laubrock suchen und sind? Ich habe eher hie und da an Ornette Colemans Quartett gedacht, v.a. beim Mitschnitt aus Paris, den ich deutlich besser finde als den aus Wien. Was mir allerdings auch wieder aufgefallen ist (ebenfalls stärker bei Paris als bei Wien) ist, wie tief Campbell in der ganzen hard bop and beyond-Tradition steckt, immer wieder Riffs und Licks einstreut, was zitiert (auch mal „Lonely Woman“ von Coleman), vertrauten Boden findet auch da, wo er nicht erwartet wird. Der freie Groove von Fonda/Grassi ist schon ziemlich super (und irgendwie beweglicher als der von Rainey und diesen weissen NYC-Kreisen der letzten 15-20 Jahre … die Nu Band ist für meine Ohren eh eine ziemlich schwarze Band – jedenfalls ist das alles viel offener als so manche weissen Projekte und Bands von Zorns Downtown bis Brooklyn heute, dünkt mich … was auch logisch ist, wenn man sich anschaut, welche Wege Grassi und Fonda gegangen sind und mit wem sie gespielt haben). Vielleicht ein verfehlter Exkurs, aber ich habe beim Hören tatsächlich den Gedanken gehabt, dass ich es echt schwer finde, die Musik zuzuordnen … wäre interessantes Blindfold-Test-Material!

letzteres auf jeden fall. das new-yorkerische daran ist schon, dass da vier querköpfe etwas schluderig und – eben – sehr offen miteinader kommunizieren, dabei deutliche politische botschaften formulieren, überhaupt kein problem damit haben, wenn musikalisch was daneben geht usw. die lässigkeit der gelebten diversität. aber eigentlich war das ja schon eine ziemlich weiße band, aber eben nicht im sinne von downtown-kälte, abgezirkelten kompositionen, scharfkantige effekten. ich finde das ogjb-quartett ja die ideale nachfolgerband.

Ja, die politische Ebene … das Ausprobieren/Scheitern hätte ich jetzt eher als typisch Chicago/AACM betrachtet, aber das klar, das gab’s und gibt’s anderswo natürlich auch!

Ich war gestern dann gleich noch bei den anderen beiden Sunnyside-CDs aus der Bestellung von neulich:

Chucho Valdés & Paquito D‘ Rivera – I Missed You Too!

Russ Lossing – Folks

Die sind beide auch 2022 erschienen … die D’Rivera/Valdés ist nur in Massen nostalgisch, es gibt ein paar augenzwinkernde Originals, eine neue Mozart-Bearbeitung (von welchem Stück hab ich grad noch nicht rausgekriegt, steht bestimmt in irgendeinem Review) und zum Ausklang auch ein Duo. D’Rivera spielt viel Klarinette (auch beim Mozart, fast bisschen schade ;-) ) und sonst Altsax, Dafnis Prieto sitz an den Drums, Diego Urcola wechselt zwischen Trompete und Ventilposaune, José A. Gola spielt den Kontrabass, Roberto Junior Vizcaino diverse Percussion.

Das Album von Lossing ist im Trio mit John Hébert und Michael Sarin … kam nicht mehr bis zum Ende, aber ich finde Lossing immer interessant (und kann ihn übrigens auch nicht recht einordnen). Sarin entfacht einige Feuerwerke, der erste Eindruck ist jedenfalls einmal mehr durchaus positiv.

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