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irrlicht
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Ich habe dazu ziemlich viele Gedanken, die sich nicht immer leicht ordnen lassen. Ein Anfang: Ich tue mir bis heute mit dem Begriff „Macht“ ziemlich schwer und bin mehr Fraktion Eigenverantwortung und auch Einzelfallbetrachtung. In den seltensten Fällen haben Menschen wirklich Macht über einen. Ein Fall wie Reichelt ist für mich gerade daher so prägnant, weil die BILD in der Realität Menschen vernichten kann, so ein Ekel wöllte ich auch nicht als Feind. Ansonsten: Wir leben in einem Sozialstaat, in dem man in der Regel nicht ins Bodenlose fällt. Wenn ich mich entscheiden müsste, ob ich mich von meinem Chef begrabschen lassen, oder arbeitslos werde, müsste ich keine drei Sekunden nachdenken (sage ich als jemand, der selbst schonmal wegen üblem Verhalten von Vorgesetzten gekündigt hat). Und bei einem Popstar? Welche nennenswerte Macht hat diese Person denn wirklich – abseits der Strahlkraft, die sie auf den Fan hat? Wie gesagt: Es gibt Einzelfälle, in der Mehrheit ist das für mich aber ein schwieriges – und auch kaum nachprüfbares – Argument, das mir viel zu oft und schnell in Richtung Verschwörung und unsichtbare Mächte, denen man sich „nicht entziehen konnte“, abdriftet. Das ist bei Minderjährigen sicher ein Grenzfall, aber bei Erwachsenen? (das alles mal abseits von dem Fall hier, zu dem einfach noch zu wenig Infos vorliegen).
Da bin ich komplett bei dir.
Der Weinstein-Fall war so ein Beispiel mit zahllosen Graufällen, die aber eben nicht betrachtet wurden. Weinstein wurde als einzig Schuldiger ausgesucht, zu hohen Gefängnisstrafen verknackt (ich bin da eher Fan des deutschen Strafrechts, dass auch für Vergewaltigung nicht de facto lebenslänglich verhängt), alles andere wurde nicht beachtet. Von der Tatsache abgesehen, dass Weinstein nicht nur Frauen angegriffen hat, sondern auch Männer (die hat er „nur“ verprügelt, aber das scheint in den USA schon nicht mehr so schlimm), hat er ja ein ganzes Netz gehabt: Agenten/Agentinnen, die ihm ihre Mündel zuführten („er will dich in in seinem Schlafzimmer sehen und das Drehbuch besprechen“), Schauspieler/innen, die den Mund hielten bzw sogar Kontakte herstellten, Bedienstete, die weghörten/-sahen etc. Und letzten Endes bin ich mir sicher (natürlich nicht belegbar), dass es eine ganze Menge Schauspielerinnen gab, die „freiwillig“ mitmachten, Durchbruch, Karriereloch beseitigen, „Gefallen“ etc. All das wurde nicht beleuchtet. Es gab einen Organisation mit Fond, in denen das reiche Hollywood einzahlte, um Abbitte zu leisten (mittlerweile pleite), es gibt keine einzige Arbeitsschutzverbesserung, die solche Fälle verhindern könnte und alle sind wieder mit sich zufrieden. Vor allem die Journalisten, die über die „me too-Revolution“ berichten.
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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.