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Runde zwei mit Sadao Watanabe und Charlie Mariano entstand im Januar 1968 und öffnet mit einem langen Nagaswaram-Solo, dazu gestrichener Bass und irgendwelche Percussion (Rahmentrommeln? Irgendwas, was beim Spielen in den Händen gehalten wird, denke ich). Ansonsten haben hier beide einfach ihre Altsaxophone dabei, dafür gibt es unbekannte mitwirkende Musiker nicht nur an den Trommeln sondern auch eine Sitar, die kurz deutlich zu hören ist, bevor dann die Rhythmusgruppe einsteigt und beide zusammen auf halbem Weg im 11minütigen Opener „Ragam Sinthubairavi“ das eigentlich Thema vorstellen. Neben Kikuchi und Harada ist hier Fumio Watanabe (d) dabei, zudem auf dem Opener Yoashiaki Masuo (g – ist das die Sitar, die ich höre?) und Tadashi Shigami am zweiten Bass (elektrisch). Und mit „Lament“ (J.J. Johnson) gibt’s noch ein Feature von Watanabe (mit Rhythmusgruppe, nicht wie Bruyninckx sagt „solo“). Dass das Album auch zwei Titel hat („We Got a New Bag“ bzw. „Sadao & Charlie Again“) passt vielleicht zur chaotischen Dokumentation hier (auch das Reissue bietet keine weiteren Namen sondern einfach noch ein englisches „and others“ unter der selben Anzahl japanischer Namen, die von den in englischen Abkürzungen angegebenen Instrumenten passt – und bei Bryuninckx sind die zwei Extramusiker auch anders verzeichnet: Masuo immer (stimmmt nicht), Shigami nicht im öffnenden Raga sondern bei „Palisades“ und „You Are My Heart’s Delight“ – stimmt wohl auch nicht, es sei denn, er löst Harada ab, aber gemäss den Credits im Beiblatt der CD ist das auch nicht der Fall).
Das Ergebnis ist deutlich stärker in eine „world music“-Richtung als das erste Album unterwegs – und es macht Spass, das zu hören. Aber die Rätselhaftigkeit und Offenheit des Vorgängers höre ich hier nicht … und die Rhythmusgruppe ist auch wieder in einer stärker begleitenden Rolle dabei, von Kikuchi hört man zunächst nicht viel. Die zweite Hälfte (nach dem langen Raga gibt’s ein ganz kurzes weiteres als „indian traditional“ bezeichnetes Stück, „Kunji kunjipesi, mathi mayakkum“, dann das schon erwähnte „Lament“) ist dann jazziger: „Palisades“ (Mariano) und „You Are My Heart’s Delight“ („Dein ist mein ganzes Herz“ von Lehar, eher „Yours Is My Heart Alone“ bekannt) sind dann eher klassische Jazz-Performances – die sind gut, aber auch ziemlich straight: „Palisades“ eine Uptempo-Nummer, in der Fumio Watanabe etwas nervig alles zudeckt mit seinem zudem recht monotonen Spiel, das Lehar-Stück dann in einem federnden mittelschnellen Tempo (gutes Kikuchi-Solo, immer noch aber weniger nervige Drums) – aber beide deutlich konventioneller als das Material auf „Iberian Waltz“. Diese ist auch eine frühe Togashi-Sternstunde – denn 1969 hatter ja den Unfall, nach dem er kein reguläres Drum-Kit mehr spielen konnte. Fumio Watanabe war ja hauptsächlich Schauspieler – nicht zuletzt mit kleineren Rollen in ein paar Klassikern von Ozu und grösseren in diversen Filmen von Oshima.
Was ich hier schon verblüffend finde ist, wie heiss Mariano klingt – er war ja nie ein richtiger Cool-Jazzer, aber so feurig wie hier (beide Alben) kenne ich ihn glaub ich nicht. Seine Diskographie ist allerdings weit verstreut und mir vieles daraus unbekannt.
Vor dieser Session entstand noch ein Label für Takt Jazz, nämlich „Encore!! Jazz & Bossa“ mit Nobuo Hara and His Sharps & Flats – doch dieses Album scheint in der Watanabe Takt-Reissue-Reihe von 2018 nicht wieder aufgelegt worden zu sein.
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